Laster, englisches   Sie beobachtet ihn beim Ausziehen, seine Orden klingeln leise, das gestärkte Hemd knistert. Sie sehnt sich verzweifelt nach einer Zigarette, aber die Instruktionen verbieten ihr, zu rauchen. Sie versucht, die Hände ruhig zu halten. «Woran denkst du, Pudding?»

«An die Nacht, da wir uns zum erstenmal begegneten.» Der Schlamm stank. Die Archies knatterten in die Dunkelheit. Seine Männer, seine armen Schafe, hatten Gas abbekommen diesen Morgen. Er war allein. Durch das Scherenfernrohr sah er sie, im Licht einer Leuchtgranate, die am Himmel hing... und obgleich er in Deckung lag, sah sie auch ihn. Ihr Gesicht war bleich, ihre Kleidung schwarz, sie stand im Niemandsland, die Maschinengewehre zogen ihre Spuren um sie herum, aber sie bedurfte keines Schutzes. «Sie kannten dich, Herrin. Sie waren deine Geschöpfe.»

«Genau wie du.»

«Du riefest mich, du sagtest: <Ich werde dich niemals verlassen. Du gehörst mir. Wir werden Zusammensein, wieder und wieder, auch wenn dazwischen Jahre vergehen. Und immer wirst du mir zu Willen sein.>»

Er kniet wieder vor ihr, nackt wie ein Säugling. Gegen das Licht der Kerze rauht sich sein Altmännerfleisch zu einer Gänsehaut. Alte Narben und frische Striemen zeichnen seinen Körper. Sein Penis steht in Habachtstellung erhoben. Sie lächelt. Auf ihr Kommando kriecht er vorwärts, um ihre Stiefel zu küssen. Er riecht Wachs und Leder, fühlt durch die schwarze Haut hindurch ihre Zehen, die sich unter seiner Zunge bewegen. Aus den Augenwinkeln erkennt er auf einem kleinen Tischchen die Spuren ihrer Abendmahlzeit, die sie frühzeitig eingenommen hat, den Rand eines Tellers, zwei Flaschenhälse, Mineralwasser und französischer Wein ...

«Jetzt ist es Zeit für den Schmerz, Brigadier. Du wirst zwölf von den Besten kriegen, wenn mir dein heutiges Angebot gefällt.» Das ist sein schlimmster Augenblick. Es ist schon vorgekommen, daß sie ihn abgewiesen hat. Seine Erinnerungen an Ypern interessieren sie nicht. Sie scheint sich weniger aus Massenabschlachtungen zu machen als aus Mythen und individuellem Terror ... aber bitte, bitte ... mach, daß sie akzeptiert...

«In Badajoz», flüstert er demütig, «im Spanienkrieg ... eine Bandera aus Francos Legion marschierte auf die Stadt, sie sangen ihre Regimentshymne. Sie sangen von der Braut, die sie sich erwählt hatten. Sie sangen von dir, Herrin! Sie-sie erklärten dich zu ihrer Braut...»

Sie schweigt einen Augenblick, läßt ihn warten. Endlich, Auge in Auge, beginnt sie zu lächeln. Um ihre Lippen spielt der böse Zug, von dem sie weiß, daß er ihn braucht, heute wie immer. «Ja ... Viele von ihnen kamen in mein Brautbett an jenem Tag», flüstert sie, den glänzenden Rohrstock biegend. Ein Winterwind scheint durch den Raum zu wehen. Ihr Bild droht in einzelne Schneeflocken zu zerstieben. Wie liebt er es, sie reden zu hören, diese Stimme, die ihn in den zerschlagenen Gehöften Flanderns fand, die er kennt, am Akzent wiedererkennt, von all den Mädchen, die in den Niederlanden alt geworden, deren Stimmen von Jugend zu Alter, von Lebenslust zu. Gleichgültigkeit gebeugt worden waren, je länger sich der Krieg, von Jahreszeit zu immer bittererer Jahreszeit, dahingezogen hatte ... «Ich nahm ihre braunen spanischen Leiber zu mir. Sie waren von der Farbe des Staubes, des Zwielichts und des vollendet gerösteten Fleisches ... die meisten von ihnen so jung. Es war ein Sommertag, ein Tag der Liebe, bittersüß wie selten einer. Ich danke dir. Du wirst deinen Schmerz empfangen.»   

Wenigstens an diesem Teil ihrer Aufgabe kann sie ihre Freude haben. Obwohl sie niemals eine der klassischen englischen Pornographien gelesen hat, sind ihr die insularen Vorlieben vertraut wie dem Fisch das Wasser. Sechs auf die Arschbacken und noch einmal sechs auf die Brustwarzen. Zack! Wo ist sie jetzt, deine Kürbis-Surprise, na, wo? Sie genießt es, das frische Blut über die Striemen der vergangenen Nacht perlen zu sehen. Oft kann sie sich kaum beherrschen, im Rhythmus seines Stöhnens mitzukeuchen, zwei Stimmen in einer Dissonanz, die weniger zufällig wäre, als sie klänge ... in manchen Nächten hat sie ihn mit einer Galaschärpe geknebelt und mit einer goldbetreßen Fourragere oder seinem eigenen Sam Browne gefesselt. Heute nacht liegt er gekrümmt zu ihren Füßen, hebt seinen verwitterten Arsch ihrem Stock entgegen, ohne von etwas anderem gefesselt zu sein als seinem leidenschaftlichen Verlangen nach Schmerz, nach etwas Wirklichem, etwas Reinem. Sie haben ihn so weit von den einfachen Geboten seiner Nerven entfernt. Sie haben papierene Illusionen und soldatische Euphemismen zwischen ihn und seine Wahrheit gestopft, die seltene Schicklichkeit dieses Augenblicks zu ihren behutsamen Füßen ... nein, er empfindet weniger Schuld als Erstaunen - daß er so viele Jahre lang auf Minister, Wissenschaftler, Ärzte und ihre jeweiligen spezialisierten Lügen hören konnte, wenn sie doch während dieser ganzen Zeit vorhanden war, ohne je an ihrem Recht auf seinen versagenden Körper zu zweifeln, seinen wahren Körper: ohne die Maske der Uniform, ohne das Verwirrspiel der Drogen, die ihn unempfindlich gemacht hatten für ihre Botschaften aus Schwindel, Übelkeit und Schmerz ... Aus Schmerz vor allem. Der reinsten Poesie, der wahrhaftigsten aller Liebkosungen ...

Mühsam erhebt er sich auf die Knie, um ihren Rohrstock zu küssen. Sie steht jetzt mit gespreizten Beinen über ihm, hält das Becken vorgeschoben, den Pelzumhang an die Hüften gerafft. Er wagt es, emporzustarren in ihre Fotze, den furchteinflößenden Mahlstrom. Ihr Schamhaar ist schwarz eingefärbt für die Gelegenheit. Er stöhnt und läßt einen unterdrückten, leisen Seufzer hören.

«Ah ... ja, ich weiß.» Sie lacht. «Armer, sterblicher Brigadier, ich weiß. Es ist mein letztes Geheimnis.» Sie streicht sich mit den Fingernägeln über die Schamlippen: «Du wirst doch nicht von einer Frau verlangen, daß sie ihr letztes Geheimnis enthüllt, oder?»

«Bitte...»

«Nein. Nicht heute nacht. Du kniest und empfängst, was ich dir gebe.»

Gegen seinen Willen - es ist schon ein Reflex - wirft er einen raschen Blick zu den Flaschen drüben auf dem Tisch, den Tellern, verschmiert von Fleischsaft, Hollandaise, Gräten- und Knochenstückchen ... Ihr Schatten fällt über sein Gesicht und seinen Oberkörper, ihre Lederstiefel knarzen leise, als sie jetzt ihre Bauch- und Oberschenkelmuskeln zusammenzieht und in einem scharfen Strahl zu pissen beginnt. Er öffnet seine Lippen, um den Strom aufzufangen, er würgt, zwingt sich, zu schlucken, fühlt heißen Urin aus seinen Mundwinkeln auf Nacken und Schultern rieseln, erstickt fast von dem zischenden Guß. Als sie fertig ist, leckt er sich die letzten Tropfen von den Lippen. Weitere Tropfen hängen golden und klar in den flaumigen Haaren ihrer Möse. Ihr Gesicht, halb verdeckt zwischen den nackten  Brüsten, ist glatt wie Stahl.

Sie wendet sich um. «Halte meinen Pelz auf!» Er gehorcht. «Nimm dich in acht! Berühre meine Haut nicht!» Früher war sie oft nervös und verstopft bei diesem Spiel, sie fragte sich, ob das mit männlicher Impotenz zu vergleichen wäre. Doch inzwischen legt der aufmerksame Pointsman allen ihren Mahlzeiten ein müdes Abführmittel bei. Jetzt winseln ihre Eingeweide sanft, und sie fühlt die Scheiße durch den Enddarm und den After gleiten. Er kniet und hält beide Arme ausgestreckt, um den kostbaren Umhang aufgespannt zu halten. Eine dunkle Wurst erscheint in der Spalte, in der absoluten Finsternis zwischen ihren weißen Arschbacken. Er spreizt unbeholfen seine Knie, bis er das Leder ihrer Stiefel berührt. Er reckt den Oberkörper, um die Spitze der warmen Wurst zwischen seine Lippen zu bekommen, saugt sie an sich, leckt mit der Zunge über ihre Unterseite ... er stellt sich - es tut ihm leid, er kann nicht dagegen an - den Penis eines Negers vor, ja, er weiß, daß er damit einen Teil der Regeln verletzt, aber er kann es nicht verdrängen, dieses Bild eines brutalen Afrikaners, der ihm seinen Willen aufzwingt... Der Gestank der Scheiße brandet an seine Nase, hüllt ihn ein. Es ist der Geruch von Passchendaele, der Gestank der Schützengräben. Vermischt mit dem Schlamm, dem Verwesungsgestank der Leichen, war es der beherrschende Geruch ihrer ersten Begegnung und ihr Emblem. Der Kotklumpen rutscht ihm in den Mund, in die Kehle. Er würgt, aber er hält tapfer die Zähne zusammengepreßt. Brot, das nur durch porzellanene Wasser gespült worden wäre, ungesehen und ungekostet - erhoben nun, gebacken in dem bitteren Ofen der Gedärme, zu Brot wie wir es kennen, zu Brot, das licht ist wie der Trost des Heimes, geheim wie der Tod im eigenen Bett... Die Krämpfe in seinem Hals wollen nicht enden. Die Qual ist entsetzlich. Mit der Zunge drückt er die Scheiße langsam gegen das Dach des Gaumens und beginnt zu kauen. Sein fettiges Schmatzen ist das einzige Geräusch im Zimmer. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Laster, englisches (2)

Laster, englisches (3)  In Gallien existierte die Magie ganz sicherlich, und zwar bis auf unsere Zeiten, denn unter der Regierung des Kaiser Tiberius wurden dort die Druiden und ähnliche Wahrsager und Ärzte abgeschafft. Doch was führe ich dies von einer Kunst an, die sich noch viel bedeutender verbreitete, nämlich selbst den Ozean überschritt und in den leeren Raum der Natur drang? Britannien ist es, wo sie noch jetzt so stark betrieben wird, daß man fast meinen sollte, die Perser hätten die Kenntnis derselben von daher bekommen. So stimmen in der ganzen Welt, welche sonst aus lauter Gegensätzen besteht und sich selbst in ihren Teilen so unbekannt ist, jene Lehren wunderbar miteinander überein. Man kann den Römern nicht genug danken, daß sie dergleichen frevelhafte Gebräuche, welche die Tötung eines Menschen für das Heiligste, das Aufzehren desselben aber für das Heilsamste hielten, aufgehoben haben.  - (pli)
 
 

Laster Engländer

 

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Verwandte Begriffe
Sünde, englische
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