ankwitz    Der Freiherr von Lankwitz war ein großer, schlanker Mann von schwer zu bestimmendem Alter; er trug einen rostroten Wallensteinbart, war aber sonst in seinem Äußern wie in seinem Benehmen von tausend Herren der Gesellschaft kaum zu unterscheiden.

Eben hatte die englische Freundin des Fräuleins Vika einiges aus Wales berichtet, diesem klassischen Lande des Spukes und Aberglaubens. Sie hatte von der »alten Brut«, den Bendith y Wamau erzählt, einem koboldartigen Geistervolke, den Elfen verwandt, doch viel bösartiger als diese »kleinen Leute«. Sie schilderte die gefürchteten Crimbils, Wechselbälge, die an die Stelle geraubter Kinder treten, mit denen sie die Gestalt zu tauschen verstehen. Auch Erwachsenen könne solches nach derartigem Glauben leicht geschehen. Der Crimbil nimmt die Gestalt seines Opfers an; nach und nach aber zieht er auch dessen Seele an sich, so daß der von der »alten Brut« Besessene gewissermaßen die Persönlichkeit an seinen Überwinder verlieren muß.

»Verzeihen sie, liebe Miß Ethel, aber das ist ja heidenmäßiger Blödsinn!« hatte dann der Schloßherr fast grimmig ausgerufen, kaum daß die Crimbilgeschichte zu Ende war. »Wie kann denn einer seine Persönlichkeit aufgeben? Wer kann ihn dazu zwingen? Zum Donnerwetter, man mag mich kaput schießen, man haue mich in Stücke, aber bis zum letzten Atemzuge bleibe ich Heinz von Krusenstern — bleibe ich eben ich, allen natürlichen und übernatürlichen Einflüssen zum Trotze!«

»Das möchte ich denn doch nicht so unbedingt behaupten, verehrter Kamerad«, kam es aus dem tiefen Lehnstuhl, in dem Herr von Lankwitz mit geschlossenen Augen ruhte. »Was wissen wir denn eigentlich vom Ich? Von uns selber? Ja, was wissen wir vom Leben? Können wir denn sagen, was das Leben eigentlich ist?«

»Oh«, ließ die englische Dame sich vernehmen, »Sie machen mich denken an das Wort eines chinesischen Weisen: ›Ich habe geträumt, daß ich ein Schmetterling war. Und nun weiß ich nicht: war dieses ein Traum, oder bin ich in Wahrheit ein Schmetterling, der träumt, daß er ein Mensch sei!‹« - Bodo Wildberg, Vertauscht. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1911)

Freiherr Berlin

 

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