andschaft, verlassene    Rings um die verwunschenen Dörfer reifte Getreide, das niemand ernten würde. Die Wiesen standen hoch und dicht; wilde Ranken schössen in den Weinbergen auf, und die weißen Landstraßen bedeckten sich mit grünem Gras.

Das Schweigen des Todes lastete überall.

Zuweilen zog ein Vagabund auf Beute aus. Es stellten sich Diebsbanden ein, die verlassenes Gut zu plündern hofften... Aber jählings scholl entsetzliches Geschrei aus dem Innern der Häuser oder irgendwo aus der Ferne: Kämpfe von Menschen mit wutkranken Hunden, mit vergessenen Katzen, gegen ihresgleichen, gegen die Angst oder gegen... man wußte nicht, was.

Nach einiger Zeit kamen die Marodeure nicht mehr.

Die einzigen menschlichen Wesen, die man von da an durch Felder und Wälder irren sah, waren arme Wahnsinnige, deren Anzahl von Stunde zu Stunde wuchs. Sie verließen ihre freiwillig gewählten Kerker unter dem Zwang kindischer, durch Furcht und Absperrung erzeugter Ideen. Untätig und halb nackt liefen diese bedauernswerten Geschöpfe ohne Ziel umher und nährten sich von Körnern und Wurzeln. Es hieß, daß der Sarvant etliche unter ihnen mitnahm; die meisten töteten sich selbst.

Tatsächlich schaukelten nicht selten an Bäumen, an Wegweisern und Kreuzwegpfählen Gehängte, die aus der ewigen Furcht in den ewigen Schlaf geflohen waren. Die Masten der elektrischen Leitung von Bellegarde nach Lyon überquerten das Tal; Halbnarren in ihrer Verzweiflung kletterten daran empor und suchten den Tod durch Berührung der Leitungsdrähte. Verkohlte Leichen hingen in affenartigen Stellungen an den Mastspitzen, als trieben sie untereinander ein groteskes Spiel. - Die Flüsse schwemmten Leichen an, Boten des um sich greifenden Entsetzens. Die Gleise der Eisenbahn glichen einer Versammlung von Zermalmten. - Heftiger Gestank breitete sich aus. - Maurice Renard, Die blaue Gefahr. Frankfurt am Main 1989 (st 1596, Phantastische Bibliothek 225, zuerst 1911)