Ich entferne mich und entdecke alsbald, daß ich mich an einem beunruhigenden
und sarkastischen Ort befinde: hier werden die Bilder der Liebe, die Modelle
der Leidenschaften und die vorläufig noch namenlosen Karteikarten des Liebestaumels
gesammelt - jene Projekte also, zwischen denen die Schwerfälligkeit unserer
Existenzen sich hingeschleppt und wundgerieben hat. Dies ist der Katalog der
zerfetzten Glieder, der zerbrochenen Seelen. Wieviel Hohn hat sich in diesem
unterweltlichen Königspalast eingenistet! Und ich kann - wir können nichts anderes
tun, als diesen Hohn zu verhöhnen und in das reglose Lachen das Verlachen einzubeziehen.
Es gibt viel Unheimliches und Tragisches in dieser Lagerhalle der Liebe: die
Liebesscheiterhaufen mit ihren falschen und verzehrenden, kindlich getreu gezeichneten
Flammen, die Symbole vereinter Hände, und ein ganzes Universum: Ehegräber, Hochzeitstorten,
Doppelsarkophage mit Leichentüchern aus Jaspis, verglaste Coup-de-foudre-Augen,
Küsse und Speichel, Präservative, Sonette, Dildos, Dolche für ungetreue Kehlen,
Epistolarien für künftige Liebende, kunstvoll gebrochene Herzen, Küsse von einsamen
Betten, tränenbenetzte und schlaflose Kopfkissen, Träume, beharrlich wiederkehrende
Traumbesessenheiten, verzweifelte Verabredungen mit der Geliebten, die sich
in Luft aufgelöst hat, aufgeschlitzte Matratzen, aneinandergeknotete Bettücher
für die Flucht ins Glück, Vitrinen voller Ringe für alle möglichen Hände, Foeten
in Formalin, Haufen frisch verwester Ringfinger. Schweißgeruch, hinfälliger
Schmutz, verächtliche und beseligende Vertrautheit des Körpers - Genitalien
und Seele. - Giorgio Manganelli,
Amore. Berlin 1982 (Wagenbach Quartheft 118, zuerst 1981)
|
||
|
||