adenmädchen   Die Ladenmädchen, schlank und schwarz, jede mit irgendeinem Schönheitsfehler, der für dieses Viertel der Ausschußartikel charakteristisch ist, gehen ein und aus, stehen in den Türen der Lagerräume, sondieren mit den Augen, ob die bewußte Sache, den erfahrenen Händen des Verkäufers anvertraut, bis zum richtigen Punkt gediehen ist. Der Verkäufer schmeichelt und ziert sich und erweckt manchmal den Eindruck eines Transvestiten. Man möchte ihm unter das weichgezeichnete Kinn fassen oder in die gepuderte, blasse Wange kneifen, wenn er mit einem verständigenden Halbblick diskret die Aufmerksamkeit auf die Schutzmarke der Ware lenkt, eine Marke von durchsichtiger Symbolik.

Langsam rückt die Angelegenheit der Anzugwahl in den Hintergrund. Der bis zur Effeminierung weiche und verdorbene Jüngling, voll Verständnis für die intimsten Bewegungen des Kunden, führt jetzt vor dessen Augen besondere Schutzmarken, eine ganze Bibliothek von Markenzeichen, das Kollektionskabinett eines raffinierten Sammlers vor. Es zeigte sich dann, daß der Konfektionsladen nur eine Fassade war, hinter der sich ein Antiquariat, eine Sammlung äußerst doppelsinniger Ausgaben und Privatdrucke verbarg. Der diensteifrige Verkäufer öffnete weitere Lagerräume, bis unter die Decke mit Büchern, Stichen und Photographien vollgestopft. Diese Vignetten, diese Stiche und Bilder übersteigen hundertfach unsere kühnsten Träume. Solche Kulminationspunkte der Verderbtheit, solche Phantasien der Wollust hatten wir nie auch nur geahnt. Die Ladenmädchen bewegen sich immer häufiger zwischen den Reihen der Bücher; sie sind grau und papieren, doch voller Pigment in den verkommenen Gesichtern, dem dunklen Pigment der Brünetten - einer glänzenden dicken Schwärze, die, geduckt in den Augen lauernd, plötzlich im Zickzack glänzender Schaben aus diesen herausläuft. Aber auch in dem verbrannten Rot der Wangen, in den pikanten Stigmen der Muttermale, in den schamhaften Zeichen des dunklen Flaums über den Lippen verrät sich eine Rasse dickflüssigen schwarzen Bluts. Dieser Farbstoff von überintensiver Macht, dieser dichte und aromatische Mokka schien die Bücher in ihren olivenfarbigen Händen zu bedecken; ihre Berührungen schienen sie zu färben und in der Luft einen dunklen Regen von Sommersprossen und Tabakqualm — wie ein Stäubling — von erregendem, animalischem Duft zu hinterlassen. Indes schüttelte die allgemeine Auflösung immer rascher den Hemmschuh des Scheins ab. Der Verkäufer ging, nachdem sich seine aufdringliche Aktivität erschöpft hatte, langsam zur weiblichen Passivität über. Er liegt jetzt auf einem der vielen Kanapees, die zwischen den Bücherregalen aufgestellt sind, in einem Seidenpyjama mit enthüllendem weiblichen Ausschnitt. Die Ladenmädchen zeigen eins nach dem anderen die Figuren und Stellungen der Umschlagzeichnungen, andere sind bereits auf den provisorischen Lagern am Einschlafen. Der Druck auf den Kunden läßt nach. Aus dem Kreis des aufdringlichen Interesses entlassen, bleibt er sich selber überlassen. Die Verkäuferinnen, mit Gesprächen beschäftigt, schenkten ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Sie wandten ihm den Rücken oder die Seite zu, blieben in arroganten Kontrapunkten stehen, traten von einem Fuß auf den anderen, spielten mit ihrem koketten Schuhzeug, ließen über ihre schlanken Körper das Schlangenspiel der Glieder laufen und attackierten durch ihre achtlose Unverantwortlichkeit den erregten Zuschauer, den sie ignorierten. - Bruno Schulz: Die Krokodilgasse, in (bs)

 

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