Labyrinthgeometrie    Nun, da ich beinahe in das Labyrinth eintauche, sehe ich in ihm eine düstere, verworrene Zeichnung von Geraden und Kurven, Mauern, die bald ganz niedrig sind, bald bizarr in die Höhe ragen, stets aber tückisch, senil, gebrechlich und hartnäckig. Die Gräben sind rüpelhaft abschüssig, schmutzig steht das Wasser in großen Pfützen. Statuen sind auch da, ich habe mich nicht getäuscht, aber nun sehe ich, wie angeschlagen sie sind, sie schwenken Arme ohne Hände, ein ganzer Arm hat sich von einer Schulter gelöst, ist abgerissen worden, eine Hand hat keine Finger, von Fingern sind nichts als Stummel geblieben. Dicht und schmutzig zieht sich der Schimmel vom Bauch bis zum Hals und über das Gesicht junger Heroen, lieblicher, entstellter, verwitterter Nymphen; und durch das dichte Geflecht kränklicher Kräuter blickt versteinertes Staunen aus halb geschlossenen, kurzsichtigen, fragenden Augen. Auf dem Boden erblicke ich die Splitter einer vollkommen zertrümmerten Statue; die Einbuchtungen dürften Schlangennester sein, wenn überhaupt Leben darin haust; überall auf Mauern und Statuen ranken sich Pflanzen hoch, überwuchern die Pfade, tilgen jegliche Spur, nie kamen hier Tiere und Herden vorbei; das Gras wächst über alle Wege, macht sie dunkel und zweifelhaft. Wenn ich in der Luft rasch eine Strecke über dem Labyrinth zurücklege, kann ich deutlich erkennen, daß die Wege schwierige Ecken streifen und sich im Wirrwarr anderer Wege verlieren; die Knoten öffnen sich zwar, erscheinen mir aber deshalb nicht durchsichtiger und freundlicher; jede stumme Straße weist auf ein hypothetisches Ziel.  - (irrt)
 

Labyrinth

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