L  Einmal, mehrere Male (so berichtete Don Lorenzo), vielleicht ohne daß ihr dabei im Augenblick die »Mutterrolle « oder die »Mutterstellung«, welche die Signora Balducci einnehmen wollte, sehr präsent war, hatte sie, die Virginia, zu Hause in der Via Merulana, während der Gatte auf flüchtigen Eisenbahnzügen dahineilte und das Dienstmädchen abwesend war, hatte sie die Signora umarmt und geküßt. »Wenn sie so gewisse L... aunen packten.«Es war Don Lorenzo gelungen, das L zu retten: und mit der unerschütterlichen Stimme der Barmherzigkeit berichtete er weiter: es war, in diesen Augenblicken, eins von beiden: entweder funktionierte es nicht mehr richtig in ihrem Gehirnkasten, oder sie glaubte, sie müsse eine Rolle auf dem Theater spielen. Feststand, daß sie die Dienstherrin küßte und umarmte.

»›Dienstherrin‹« unterbrach der Doktor Fumi und runzelte die Brauen.

»Dienstherrin, Patin: das kommt auf eins raus.« Sie küßte sie, wie eine Pantherkatze küssen könnte, und sagte dazu: »Ach, meine schöne Signora Liliana, Sie sind die reinste Muttergottes für mich!«und dann, ganz leise, mit verhaltener Glut: »Ich hab Sie lieb: lieb hab ich dich: eines Tages freß ich dich noch vor lauter Liebe «: und sie preßte ihr die Handgelenke und verrenkte sie ihr und hielt sie fest: quetschte sie wie in einem Schraubstock, Mund auf Mund, daß sie ihren Atem im Munde spürten, eine gegen die andere, Brüste gegen Brüste. Don Corpi verbesserte sich, natürlich: »Ich will sagen: indem sie sich ihr näherte mit der Brust und dem Gesicht,« Aber indes hatten Ingravallo und der Doktor Fumi schon auf Anhieb verstanden.    - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988

 

Buchstabe

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme