yrenaiker
Diejenigen, welche den Grundsätzen des Aristipp treu blieben und sich
Kyrenaiker nannten, hielten sich an folgende Lehrsätze. Sie nahmen zwei Seelenzustände
an, den einen als sanfte Bewegung, nämlich die Lust,
den Schmerz aber als rauhe (ungestüme) Bewegung. Zwischen
Lust und Lust, sagen sie, ist kein Unterschied, und es gibt nichts, was sich
durch einen höheren Grad von Annehmlichkeit vor dem andern Angenehmen hervorhebt.
Die Lust ist allen Geschöpfen erwünscht, dem Schmerz aber weicht man aus. Indes
ist es die körperliche Lust, die sie für das Ziel erklären, wie auch Panaitios
behauptet in seinem Werke über die Sekten, nicht aber die bewegungslose Lust
bei Wegfall der Schmerzen, jener Zustand der Ungestörtheit, dem Epikur huldigt
und den er für das Ziel erklärt. Sie machen auch einen Unterschied zwischen
Ziel und Glückseligkeit. Ziel nämlich sei die einzelne Lust, Glückseligkeit
die Summe der einzelnen Lustempfindungen, in der auch die vergangene und zukünftige
mit inbegriffen sind. Die einzelne Lust sei um ihrer selbst willen begehrenswert,
die Glückseligkeit dagegen nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen der einzelnen
Lustempfindungen. Der Beweis dafür, daß die Lust das Ziel ist, liegt in der
Tatsache, daß wir ohne alle vorausgegangene Überlegung von Kind auf uns mit
ihr verwandt fühlen und daß wir, in ihren Besitz gelangt, nichts weiter begehren,
während wir nichts so sehr meiden wie die ihr entgegengesetzte Schmerzempfindung.
Und zwar sei die Lust ein Gut selbst dann, wenn ihre Quelle noch so schmutzig
wäre. So berichtet Hippobotos in seinem Buch über die Sekten. Denn mag
auch die Handlung verächtlich sein, die Lust rein für sich genommen ist doch
um ihrer selbst willen erstrebenswert und ein Gut. Dagegen scheint ihnen die
Beseitigung des Schmerzes - dies ist der Ausdruck, dessen sich Epikur
für die Sache bedient - noch nicht (eigentliche) Lust zu sein. Ebensowenig ist
die Lustlosigkeit schon Schmerz. Denn die Bedingung für beide sei Bewegung,
eine Bedingung, die weder auf die Schmerzlosigkeit noch auf die Lustlosigkeit
zutreffe, denn die Schmerzlosigkeit sei ein Zustand der Empfindungslosigkeit
wie im Schlafe. Manche, behaupten sie, seien wegen verkehrter Geistesverfassung
eines Strebens nach Lust überhaupt nicht fähig. Indes nicht alle geistigen Lust-
und Schmerzgefühle beruhen auf körperlichen Lust- und Schmerzempfindungen. Denn
schon allein über das Wohlergehen des Vaterlandes freue man sich wie über das
eigene. Anderseits reicht aber auch die bloße Erinnerung an das Gute oder die
Hoffnung darauf nicht hin zum Zustandekommen der Lust, wie es nach Epikurs Annahme
der Fall ist. Denn der Zeitverlauf läßt die Bewegung der Seele wieder verschwinden.
Sie behaupten aber auch, daß das bloße Sehen oder Hören noch nicht die Lust
ausmache. Denn die Nachahmung von Wehklagen (auf dem Theater) hören wir mit
Lust an, die wirklichen dagegen mit Unlust. So bezeichneten sie denn Lustlosigkeit
und Schmerzlosigkeit als mittlere Zustände. Weit aber stehe an Annehmlichkeit
die körperliche Lust über der geistigen, und in demselben Maße sei der Körperschmerz
empfindlicher als der Seelenschmerz. Daher würden denn auch die Verbrecher durch
Körperschmerzen härter gestraft; denn - so meinten sie -schwerer zu ertragen
ist der Schmerz, während die Lust unserer Natur mehr entspricht. Daher wandten
sie auch der letzteren eifrigere Sorge zu. So komme es denn, daß, wenngleich
die Lust als ein selbständiges Gut für sich bestehe, sich doch dem Genusse mancher
Lust oft der Umstand entgegenstelle, daß sie nur durch Unlust erkauft werden
könne. Die Glückseligkeit also, als die Gesamtsumme aller Lust, erschien ihnen
demzufolge als ein kaum zu erreichendes Ziel. Ihrer Ansicht nach führt zwar
weder der Weise ein durchaus lusterfülltes Leben noch der Tor ein durchweg schmerzvolles,
aber sie sind doch (vergleichsweise) gegen die andern im Übergewicht. Es genügt,
wenn einer in den einzelnen einschlagenden Fällen der Lustempfindung teilhaftig
wird. Die Einsicht halten sie für ein Gut, doch für erstrebenswert nicht um
ihrer selbst willen, sondern um der erfreulichen Folgen willen. Freunde suche
man um des Nutzens willen; so habe man auch an einem Körperteil Freude, solange
er da sei. - (diol)
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