utsche   In sämtlichen französischen Schauergeschichten ist nicht so viel Unheimliches zusammengepackt wie in jener Kutsche, die Achim von Arnim von Brake nach Brüssel fahren läßt, und worin folgende vier Personen bei einander sitzen:

1.      Eine alte Zigeunerin, welche zugleich Hexe ist. Sie sieht aus wie die schönste von den sieben Todsünden, und strotzt im buntesten Goldflitter- und Seidenputz.

2.      Ein toter Bärenhäuter, welcher, um einige Dukaten zu verdienen, aus dem Grabe gestiegen und sich auf sieben Jahr als Bedienter verdingt. Es ist ein fetter Leichnam, der einen Oberrock von weißem Bärenfell trägt, weshalb er auch Bärenhäuter genannt wird, und der dennoch immer friert.

3.      Ein Golem; nämlich eine Figur von Lehm, welche ganz wie ein schönes Weib geformt ist, und wie ein schönes Weib sich gebärdet. Auf der Stirn, verborgen unter den schwarzen Locken, steht mit hebräischen Buchstaben das Wort »Wahrheit«, und wenn man dieses auslischt, fällt die ganze Figur wieder leblos zusammen, als eitel Lehm.

4.      Der Feldmarschall Cornelius Nepos, welcher durchaus nicht mit dem berühmten Historiker dieses Namens verwandt ist, ja welcher sich nicht einmal einer bürgerlichen Abkunft rühmen kann, indem er von Geburt eigentlich eine Wurzel ist, eine Alraunwurzel, welche die Franzosen Mandragora nennen. Diese Wurzel wächst unter dem Galgen, wo die zweideutigsten Tränen eines Gehenkten geflossen sind. Sie gab einen entsetzlichen Schrei, als die schöne Isabella sie dort um Mitternacht aus dem Boden gerissen. Sie sah aus wie ein Zwerg, nur daß sie weder Augen, Mund noch Ohren hatte. Das liebe Mädchen pflanzte ihr ins Gesicht zwei schwarze Wacholderkerne und eine rote Hagebutte, woraus Augen und Mund entstanden. Nachher streute sie dem Männlein auch ein bißchen Hirse auf den Kopf, welches als Haar, aber etwas struppig in die Höhe wuchs. Sie wiegte das Mißgeschöpf in ihren weißen Armen, wenn es wie ein Kind greinte; mit ihren holdseligen Rosenlippen küßte sie ihm das Hagebuttmaul ganz schief; sie küßte ihm vor Liebe fast die Wacholderäuglein aus dem Kopf; und der garstige Knirps wurde dadurch so verzogen, daß er am Ende Feldmarschall werden wollte, und eine brillante Feldmarschalluniform anzog, und sich durchaus Herr Feldmarschall titulieren ließ. - Heinrich Heine, Die romantische Schule

Kutsche (2)  Die Anfänge meiner Zeichnungen verlieren sich in mythischem Nebel. Ich konnte noch nicht sprechen, als ich schon alle Papiere und Zeitungsränder mit Kritzeleien bedeckte, welche die Aufmerksamkeit der Umgebung erregten. Es waren anfänglich lauter Wagen mit Pferden. Die Prozedur der Fahrt mit einem Wagen schien mir voller Gewicht und geheimer Symbolik zu sein. Seit meinem sechsten oder siebenten Lebensjahr kehrte in meinen Zeichnungen immer von neuem das Bild einer Droschke mit aufgesetztem Kasten und brennenden Laternen wieder, die aus einem nächtlichen Wald herausfuhr. Dieses Bild gehört zum eisernen Kapital meiner Phantasie, es ist eine Art Knotenpunkt vieler in die Tiefe führender Bahnen. Bis auf den heutigen Tag habe ich den metaphysischen Gehalt dieses Bildes nicht erschöpft. Der Anblick eines Droschkenpferdes hat bis auf den heutigen Tag nichts an Faszination und erregender Macht verloren. Seine schizoide Anatomie voll Ecken, Knoten, Knorren, Kanten und Höckern wurde gleichsam in seiner Entwicklung in einem Augenblick aufgehalten, als sie noch weiter wachsen und sich verästeln wollte. Und auch der Wagen ist ein schizoides Gebilde und dem gleichen anatomischen Prinzip entsprungen - vielgliedrig, phantastisch, aus flossenförmig gebogenen Blechen, Pferdehaut und riesigen ratternden Rädern verfertigt. - Bruno Schulz an Stanislaw Ignacy Witkiewicz, nach (bs)
 
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