Kursbuch    Über den Mangel an Reisenden, die wirklich auf der Suche waren, dachte er oft nach. Kopfschüttelnd saß er zu Hause, las im Kursbuch, verglich Zugnummern, addierte Bahnkilometer und umzirkelte mit rotem Stift Eisenbahnknotenpunkte. Der Verdacht meldete sich, daß das vorliegende Kursbuch und alle vorgängigen Editionen zwar recht klar und vernünftig komponiert sei, aber eines höheren, in ihm selbst liegenden Inkommensurablen ganz ermangelte. Insbesondere sei die Bedeutung des Zielortes eines das Werk befragenden Reisenden Überschätzt. Dieser Umstand insbesondere führe zur Vordergründigkeit des Werkes. Daher machte er sich bald selbst an die Herstellung e'nes Kursbuches für das ganze Reich. Zunächst legte er fiktive Entfernungen und Ortsnamen zugrunde, so seinen eigenen, und ein geheimer Traum erfüllte sich damit, begann gleichsam noch einmal Mischen Nürnberg und Fürth, und arbeitete sich erst allmählich in die Höhen des Nord-Süd-Expreß und ähnlicher Themen hinauf. Obwohl er sich dem gegenwärtigen Verkehrsnetz ganz anschloß, kam es doch zu vielen Rückschlägen. Lediglich auf einen Rechenfehler war es beispielsweise zurückzuführen, daß, wie er eines Morgens entdeckte, zwischen Tiefenbrunn und Meuth-Landhaus zwei FD-Züge seit Wochen nächtlich ineinanderrasten. Es geschah, daß Muck-Bruggenau nach sorgfältiger Musterung seiner Tabellen Züge entgleist fand. Er litt, wenn er bei genauem Zusehen feststellte, daß etwa an der südlichen Grenze ein internationaler Zug seit Tagen festlag oder daß gar Züge - er dachte an den D 390 - einfach spurlos zwischen zwei Orten verschwanden, indem sie nämlich plötzlich nirgendwo mehr ankamen.   - Reinhard Lettau, Schwierigkeiten beim Häuserbauen. [Mit Aufritt Manigs]. Frankfurt/M. - Berlin - Wien 1982 (zuerst 1962)
 

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