Kunstkritik  «Ist das eines von den Bildern deines Freundes?» fragte ich, als er das Licht anschaltete und eine riesige Kotze gelbgrüner Galle mir von der Wand entgegenstürzte.

«Das ist eine seiner frühen Schöpfungen», erklärte Kronski. «Er bewahrt sie aus sentimentalen Gründen auf. Seine besten Sachen habe ich; weggebracht und eingelagert. Aber hier ist eine kleine Arbeit, die dir eine Vorstellung von seinem Können gibt.» Er schaute sie voll Stolz an, als handle es sich um das Werk seines eigenen Sohnes. «Es ist wundervoll, nicht wahr?»

«Schrecklich», sagte ich. «Er hat einen Scheiße-Komplex, er muß in der Gosse geboren sein, in einer Pfütze schalen Pferdeurins an einem trüben Februartag in der Nähe eines Gasometers.»

«Ausgerechnet du mußt das sagen», versetzte Kronski rachsüchtig. «Du erkennst einen echten Maler nicht, wenn du einen siehst. Du bewunderst die Revolutionäre von gestern. Du bist ein Romantiker

«Dein Freund mag vielleicht ein Revolutionär sein, aber ein Maler ist er nicht», beharrte ich. «Er hat keine Liebe in sich, er kann nur hassen und, was noch schlimmer ist, er kann nicht einmal malen, was er haßt. Er sieht benebelt. Du sagst, er ist lungenkrank: Ich sage, er ist gallenkrank. Er stinkt, dein Freund, und seine Wohnung auch. War­um machst du nicht die Fenster auf? Es riecht hier, als sei ein Hund verreckt.»

«Meerschweinchen meinst du. Ich habe die Wohnung als Labor benutzt, darum stinkt es hier ein bißchen. Ihre Nase ist zu empfindlich, Mister Miller. Sie sind ein Ästhet

«Gibt es hier irgendwas zu trinken?» erkundigte ich mich.

Natürlich war nichts da, aber Kronski erbot sich, nochmals fortzugehen und etwas zu holen. «Bring was Starkes», rief ich ihm nach, «in dieser Wohnung wird's einem übel. Kein Wunder, daß dieses arme Schwein die Schwindsucht hat.»  - Henry Miller, Sexus. Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1947)

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