Kunstdruck  Dem kleinen Advokaten, der manchmal sein Aktenbündel fallen ließ, rutschte einmal ein Kunstdruck aus einer Akte, der aber dem Vater mißfiel. »Die Frau«, sagte der Vater, »ist das Wichtigste auf der Welt. Ein Schriftsteller, der sich nicht um die Frau kümmert, wird nie Leser finden.« Die Phantasie des großen Advokaten war dagegen voll trüber junger Mädchen, dämonischer Frauen, glühenden Oleanders und fleischiger Lippen. »Gabriele d'Annunzio ist der größte Schriftsteller der Welt!« sagte er. Und wenn er an den Winterabenden, mit einem Schal bedeckt und einem Glas Magnesiabrause in der Hand, vom Büro zum Eßzimmer und in die Küche ging, so trug er die folgenden Wörter im Kopf, der mit einem an den vier Ecken verknoteten Taschentuch bedeckt war, mit sich herum: Veilchenfarben, zart, Leichtigkeit, wohlduftend, prunkvoll, samten, Moll-Ton, vortrefflich, Akazien, üppig, Herrschaft, zweideutig, Geschmeide. Wenn er zurückkehrte, um im Dunkeln einzuschlafen, schien deshalb sein Gesicht sanft zu leuchten wie ein Fenster aus durchscheinendem Alabaster, hinter dem der Morgen graute. Es war diese Welt d'Annunzios, sagte der Sohn, es waren diese herrlichen Adjektive und Wörter, die matt durchschienen. »Du bist wohl verrückt?« sagte die Mutter. »Das sind die Hemdknöpfe!«  - Vitaliano Brancati, Geräusche. Nach (branc)
 
 

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