ulturleben   Im Januar einundfünfzig bereicherte Eckstein das Kulturleben durch Aufhängen eines Fragekastens. Was eine Untiefe sei oder eine Binsenwahrheit? Jeder habe doch sicher etwas auf dem Herzen und: Wer gebe nicht gern Auskunft? Einmal die Woche verlasen Oberschüler oder Studenten die Fragezettel. Sie riefen zur Beantwortung auf und ordneten das darauffolgende Palaver.

In Zweifelsfällen sprang Eckstein ihnen bei. Er wußte, wie man Chodowiecki ausspricht und daß »Karat« was mit den Früchten des Johannisbrotbaumes zu tun hat. Zuweilen unterliefen ihm jedoch arge Schnitzer. »Margarine« hänge mit »Marginalien« zusammen, mit Dingen also, die mehr am Rande lägen, meinte er.

Und »verballhornen« bedeute, jemandem sozusagen verbal Hörner aufzusetzen. - Walter Kempowski, Im Block. Frankfurt am Main 1972 (zuerst 1969)

Kulturleben  (2)  In der taz beruhigt uns die Bienenforscherin Elke Genersch in der neuesten Reportage von Gabriele Goettle: Wir sterben ohne Bienen nicht aus. Dem Tagesspiegel schwant fuer die Zukunft des Verhaeltnisses von Fernsehen und Kino nichts Gutes. Und wir erfahren, dass Simon Rattle uns Trolle nach wie vor gerne hat. In der NZZ schildert der Historiker Stefan Meller die anhaltenden Schwierigkeiten der Polen mit den Deutschen. Der FR ist die digitale Boheme nicht richtig links genug, die SZ ist sich uneins und bringt gleich zwei Artikel ueber die neuen Kreativen und ihren Arbeitsbegriff. - "Perlentaucher"-Newsletter vom 27. August 2007

Kulturleben  (3)  Ich habe keine Lust Briefe zu schreiben. Gestern z.B. war ich in einem Unterhaltungsabend des Gewerbevereins. Der Lehrer hielt einen Vortrag über Schönrotkraut - schweigstill mein Herz, über Geschiebemergel und die Eisbeere. Mehreremale erwähnte er rühmend den lieben Gott. Dazu wurden Lichtbilder gezeigt auf denen man den Sohn des Lehrers inmitten von Farrenkräutern reizvoll gruppiert sah. (Das Thema des Abends war nämlich: der deutsche Wald). Der Vortrag wurde von dem Gesangverein »Heulboje« (!) eingerahmt der einige sehr liebenswürdige Lieder vortrug in denen es von grünen Bäumen wimmelte. Der Saal war so voll dass zahlreiche Eingeborene samt Haustieren auf Plättbrettern Platz nahmen oder in durchlöcherten Hängematten schlummerten. Ich genoss das. Es war wirklich ein Konzert das ich genoss. In Berlin gibt es jetzt Mahlers 7. und ich lese das ohne Neid. Was ist Berlin - eine grosse Stadt - ein grosses Armenhaus. Ich halte es mit der Heulboje...  - Hans Jürgen von der Wense, Von Aas bis Zylinder, Bd. I. Frankfurt am Main 2005

Kulturleben  (4)  In einem Restaurant, das „Krebsenkeller" hieß. Hingelümmelte Säufer, der Tbc-Kranke Rühm erzählend in der Mitte und blödes Roßgewieher bei jeder noch so leeren Bemerkung, ich begriff gar nicht! Das soll die Bekanntheit sein?:Diese Art von mieser Dummheit? Diese Art von vergammelter Fröhlichkeit?:Und am lautesten lachten die doofen Westdeutschen! Man glaubte, seitens des Herrn Widmer und seitens des Herrn Wagenbach mir Aufmerksamkeit und Sympathie bekunden zu müssen, aber da hatten sie sich verrechnet! Warum? Weil mir ihre häßlichen Gebaren mißfielen!

Und wedelnde Kunst-Fotzen: schön, viele, eklig in ihrer anschleimenden Hinnahme der Szene! Ich saß abgerückt und ziemlich ernst und mit gesträubtem Nackenhirn, Hinterkopfhirn, Althirn da - wie nach einem Gang durch die Stadt. - Da tauchte noch einmal irgendwann der Herr Bauer auf, wir unterhielten uns über Neven, der ihm ab und zu einen 50er Schein bei einem Aufenthalt in Köln zugeschoben hatte, mehr nicht, und über ein neues Stück, das bei ihm im Urwald von Borneo spielt mit alten abgetakelten Schauspielern, die sich an frühere große Szenen erinnern und sie nachspielen - erinnerst Du Dich an den TV-Film über alternde Schauspieler eines abends? - Aber der Bauer ist ziemlich kaputt - und er weiß das auch. - Und meine Kopfschmerzen wurden immer stärker, und ich sagte mir: wenn das morgen so ist, lese ich nicht, ich hau sofort ab. - (rom)

Kulturleben  (5) 1 Morgens nach dem Duschen, das Handtuch in die Faust geknäult vor-mich haltend, starrte ich darauf wie auf Yorick's Schädel. Und laut sagte ich zu der Frottékugel: -Das-Alles muß sich !ändern. »Doch laßt uns, weil wir enttäuscht sind, nicht tragisch werden. Das ist es nicht wert.« : Als hörte ich Eine Stimme, die Stimme Eines uralten Mannes, aus dem Spiegel od aus den Wänden kommend, während heißes Wasser aus der Brause floß.

Tatsächlich änderte sich alsbald Einiges, doch Nichts davon in meinem Sinn. Es ging auf Weihnachten, Dreitage noch & Allewelt schien auf einen ändern Stern entschwunden; Niemand mehr zu erreichen. Da wollte zuvor Jeder noch Reinesgewissen & reinen Schreibtisch machen : Entscheidungen & Maßnahmen unter Präfeiertag's Atemlosigkeit lassen kulminierend Kühnheiten erwarten.

- Vor mehr als einem Monat hatte ich mein Ex-Klusivinterview mit einem wenige Tage darauf bei einem Autounfall ums-Leben-gekommenen, bekannten Schauspieler bei der Redaktion einer großen-überregional erscheinenden Zeitung angeboten; erfreut unterm Eindruck der plötzlichen Aktualität hatte Man der Veröffentlichung zugesagt. Nach Einsendung dieses Interview-Textes Schweigen. Auf Nachfrage hin die vage Auskunft, Man suche noch nach geeignetem Platz für dieses !hervorragende Interview & den sensibel formulierten Nachruf. Mittlerweile hatten die anderen Feuilletons längst ihre Beiträge über Leben-&-Tod dieses Schauspielers gebracht; der Wert jenes Ex-Klusivinterviews schwand somit rasch dahin..... Am Nachmittag des 21. Dezember, ich war zum Einkaufen außerhaus, hörte ich später vom Anrufbeantworter die Nachricht des Redaktors, dem ich das Interview seinerzeit angeboten: Leider könne Man diesen Text nun nicht mehr bringen, es sei mittlerweile Zuvielzeit vergangen & das-Ganze sei unaktuell geworden (:der Tonfall im Vorwurf, als läge die Schuld-daran bei—mir), & Man schloß mit der Wendung Die-Sache mit dem Unfall ist !abgegessen & !durch..... Und natürlich würde zu !diesem Zeitpunkt - am 21.12. Freitagnachmittag - nirgends, bei keiner ändern Redaktion, noch jemand anzutreffen sein, dem ich Interview-&-Nachruf auf 1 toten Schauspieler würde anbieten können. Fazit: Kein Honorar für diese Arbeit, die mich viel an Zeit gekostet hatte, u: keine Erstattung der Reisekosten; denn ich war seinerzeit für das Interview zu dem Schauspieler nach Hannover gereist.

Vom Unfalltod des Schauspielers erzählte man diesen Anblick: Nach dem Frontalzusamnienprall mit einem Lastwagen ins zusamm-gekwetschte Autoblech gekeilt, Brustkorb u Rippen gebrochen, die Lunge zerspießt, aus dem offenen Schädeldach Gehirn, Splitter vom Brillenglas in Gesicht u Augenhöhlen - aus Mund u Ohren Blut - so hatte man ihn gefunden. Es hieß, er sei Auf-der-Stelle tot gewesen. : Als greife die Entwürdigung durch solch gewaltsam—entstellenden Tod auf den Lebenden, der von diesem Tod geschrieben hat, hinüber..... -
  - (jir)
 

 

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