Kuhfladen  Es war einmal eine große Wiese, und auf dieser Wiese lag ein schöner Kuhfladen. Da kamen drei Feen vorbei, und eine von ihnen sagte zu den beiden andern, daß sie diesen Kuhfladen taufen wolle, damit er ein schönes junges Mädchen werde. Die zweite Fee sagte, sie werde diesem Mädchen einen Ring geben; und die dritte Fee sagte, sie werde diesen Ring verhexen, so daß, wer ihn trüge, nur ein Wort sprechen könne: Merda! Und in der Tat verwandelte sich dieser Kuhfladen in ein schönes junges Mädchen, das wie eine Königin gekleidet war mit einem Diadem auf der Stirne. Und die drei Feen gingen davon, während das Mädchen auf der Wiese zurückblieb. Nun kam dort zufällig ein König vorbei, und der König machte dem hübschen jungen Mädchen viele Komplimente, aber sie antwortete auf alles nur: »Merda!« Der König fragte das Mädchen, ob es nicht in seinen Wagen steigen wolle, und sie nickte mit dem Kopf und sagte nichts anderes als: »Merda, merda.«

Das Mädchen war aber so schon und so liebreizend, daß der König es mit nach Hause nahm. Und er sagte zu seiner Mutter, daß er das Mädchen heiraten wolle. Die Mutter aber antwortete, daß sie so ein Mädchen nicht zur Schwiegertochter haben wolle, weil es keine Erziehung habe. Aber der König sagte, daß er das Mädchen begehre und daß es ja das, was es nicht wüßte, lernen könne. Und er hat es in der Tat so gemacht und hat sich bald darauf verheiratet.

Es kommt ein Sonntag und die ganze Gesellschaft macht sich auf den Weg in die Messe. Alle Leute, die in der Kirche waren, begeisterten sich für das schöne Mädchen, und viele Herren machten ihr Komplimente. Aber sie wußte auf alles nicht anders zu antworten als: »Merda.«

Indessen ging der Sakristan in der Kirche mit dem Klingelbeutel herum, und alle Leute warfen ihr Scherflein hinein. Als der Sakristan zu unserm Mädchen kam, hatte sie auch nicht einen Pfennig, und um keinen geizigen Eindruck zu machen, zog sie den Ring ab, den sie am Finger trug, und warf ihn in den Klingelbeutel. Der Pfarrer, der zufällig gesehen hatte, wie das Mädchen den Ring in den Klingelbeutel warf, gab dem Sakristan einen Wink, er solle zu ihm auf die Kanzel kommen, die er gerade bestiegen hatte. Der Sakristan gehorchte ihm und ging zu ihm hinauf. Darauf nahm der Pfarrer den Ring aus dem Klingelbeutel und steckte ihn sich an den Finger. Nach einem kurzen Seufzer wandte er sich den Gläubigen zu, um ihnen zu sagen: »Meine geliebten Brüder.« Aber weil er den Ring am Finger hatte, konnte er nichts anderes sagen als: »Merda, merda, merda.«    - Italienische Volksmärchen. Hg. und Übs. Felix Karlinger. Düsseldorf u. Köln 1980  (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Kuhfladen (2)  J. hatte es immer gern, wenn Kühe machten. Eine Kuhwiese ohne Fladen war eine halbe Kuhwiese. (Ob dabei Ressentiments aus der ersten Lebensphase mitspielten, wußte er nicht.) Als Schulkind matschte er gern darin mit den Füßen. Bis unnatürliche Leute ihm von den Schrecken einer Blutvergiftung erzählten. Wenn er sich nach einer Traktoristin sehnte, hoffte er, den Geruch an ihr wiederzufinden.

Kuhdreck hatte anderseits auch etwas Entsagungsvolles: das mit einigen Konsonanten auslangende Landleben alten Schlages (ohne Musicboxes in der Dorfschenke, ohne lilagemalte Vronimündchen, ohne Edelnaschwerk, nein, bloß mit alten sauern Drops im einzigen  „Caffeehaus"); ein Wind über einsamer Scholle, das ist doch rührend; schlechtgebaute Häuser ohne Kanalisation; Stapfen in photogenen Urschuhen, sich Zeit lassend, im rotlosen Abenddämmern des nur mehr mit Schlaf aufwartenden Bauernhofes: nur mit einigen Konsonanten weht die Nacht herüber; Kuhdreck, Fröstelkälte, der Tag ist getan, Federnbett, erkaltende Gebüsche, der Dachkater kann nichts retten.

Kuhdreck, herb, mit sehr spärlichem Süß, wie soeben aufgebrochenes Brot; nicht so unähnlich dem Jasmin!; auch Würziges: wäre Kuhdreck eßbar, schmeckte er gut auf Lebkuchen gestrichen; schwacher Ammongasgeruch wie aus Camembert, wo es jeder untadlig findet.

Aldo Palazzeschi (29. 12. 1913) schrieb: Laßt in einen Ballsaal frischen Rosenduft eindringen, und ihr werdet euch in einem eitlen, vergänglichen Lächeln wiegen; aber laßt den Saal von dem viel tiefergründigen Geruch der Scheiße durchdringen, und ihr werdet ihn in Heiterkeit und freudige Erregung versetzen.  - (oko)

 

Scheiße

 

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