Dies Leben ist ein Kürbs
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Daniel Casper von Lohenstein
Kürbis (2) »Siebzig, einundsiebzig, zweiundsieb-zig«, zählte Madame Redard, indem sie die Queckengräser mit den Wurzeln auszog. Von Zeit zu Zeit erhob sie sich, trocknete sich die Stirne und fing fast sogleich wieder an.
»Neunzig, einundneunzig, zweiundneunzig«, murmelte sie. In diesem Augenblick machte sie ein fernes Geräusch aufmerksam; sie richtete sich endgültig auf und unterbrach ihre Arbeit.
Nun konnte man ihr Gesicht mit Muße betrachten:
klein, gerötet, glich es seltsamen Kürbissen, die die jungen Burschen am Johannistag
aushöhlen und in deren Schale sie Mondgesichter und Fratzen schneiden; mit einer
kurzen Paraffinkerze werden die unheimlichen Nachtlampen erleuchtet. Solche
riesige Kürbisse wuchsen in Menge auf dem schön geflochtenen Misthaufen
bei dem Chalet, das die alte Dame in Gryon bewohnte. - Maurice Sandoz, Der
Lehnstuhl.
In: M. S., Am Rande. Zürich 1967
Kürbis (3) Wir ließen uns am Rande einer
Luke nieder, von der aus wir einen vollständigen Überblick über Maudes Zimmer
hatten. Der Tod hatte Maudes Gesicht in eine schmale, unkenntliche Maske verwandelt,
die mich irgendwie arL eine dünne Scheibe unreifen Kürbis erinnerte. Ihr Mund
stand halb offen, und sie starrte mit einem aus Vorwurf und Staunen gemischten
Ausdruck zu uns hinauf. Ihre falschen Zähne schwammen in einem mit Wasser gefüllten
Glas neben dem Bett. Wahrscheinlich erklärte dieses die Schmalheit ihres Gesichts.
Ihr weißes Haar kräuselte sich immer noch flaumig um ihr totes Anlitz. - (
hoer
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