ühle »Bleibe
ruhig. Betrachte kühl.
Warum? - Weil diese Ruhe und diese Kühle das Dauernde darstellen, und die Zeit, die sich von allem ablöst. Ein kühler Mensch schwingt aus wie ein Jahrhundert. Zorn und sich türmende Emotionen bilden schließlich doch nur eine weite Fläche. Auf die Dauer hat es niemals etwas gegeben. Verliere sie nicht aus dem Auge, diese verläßliche Nullheit am Ende. Es soll ein Zeichen - eine weite gerade Linie - bleiben unter all deinen verborgenen Bewegungen, deinen Meteoren.«
(Valéry: Mauvaises pensées)
Zutreffend - und schön. Aber auf die Dauer hat es auch nie jemanden
gegeben, und diese horizontale Linie bewahrheitet sich nur in den Friedhöfen.
Die Erde wird eines Tages ein Mond sein, sagt sich - unwiderlegbar - der Mensch,
der gegen seinen Durst denkt und das Wasser zwischen seinen Fingern zerrinnen
läßt. - (
grac2
)
Kühle (2) Eine unterdrückte Absicht im Hintergrunde seines Gehirns erweckte ihn gerade vor Tagesanbruch wieder zu vollem Bewußtsein.
Es herrschte um diese Zeit eine unbeschreibliche Kiilile in dem Zimmer, anders als die Kühle des Regens und Windes, wie sie geherrscht hatte, da er schlafen gegangen war. Er lag mit hochgczogenen Schultern und gekrümmten Knien nahe an Gerdas Seite, hatte den Arm um das Mädchen gelegt und empfand in jedem Nerv dieses neue Gefühl in der Luft.
Seine irdische Seele schien den Körper zu verlassen und aus diesem kleinen Zimmer in die weiten Lufträume zu gleiten, die über dem Westland hingen. Die innere Kühle der Dunkelheit hatte, während die Dämmerung ganz langsam anbrach, jenes Etwas in sich, das dem Frühling des Jahres entsprach; nur war dies der Frühling einer Winternacht! Es kg eine grünliche, feucht wachsende Bewegung in jenem Herannahen der Morgendämmerung; und die ganze Nacht um ihn schien zu erschauern und sich zusammenzuziehen gleich dem zuckenden Beben eines ungeborenen Kindes.
Keinen Muskel bewegte er, während er hier lag, zusammengekrümmt und
träge, die starren Finger um Gerdas rechte Brust gefaltet, wie die
Finger eines Kindes, die das Spielzeug umschließen, mit dem es in den
Schlaf gelullt wurde. Aber in seinem gekrümmten Skelett war der Geist
hell, mit einer Helle von Etwas, das heftigen Widerstand
leistete. - John Cowper Powys, Wolf Solent. Wien Hamburg 1986 (zuerst 1929)
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