üchenmesser
Der Messerstich saß perfekt. Die Waffe selbst, ein einfaches französisches
Küchenmesser mit einem Holzgriff und einer zwanzig Zentimeter langen Klinge,
war gerade lang genug, um tief in den Brustkorb einzudringen. Die Spitze schob
sich zwischen den obersten Rippen rechts neben dem Brustbein in den Körper und
glitt von dort nach links unten. Der rechte Lungenflügel und die Lungenarterie
wurden durchbohrt, das Herzohr getroffen, und schließlich riß die Aorta dicht
an ihrem Ursprung.
Die massive Blutung führte innerhalb weniger Sekunden zum Tod und ließ dem
Opfer gerade noch Zeit zu einem Hilfeschrei, der an jenem warmen Sommerabend
durch die offenen Fenster auch von den Nachbarn vernommen wurde. Die Freundin
des Opfers und ein benachbarter Arzt versuchten, das hervorschießende Blut zu
stillen, doch es war bereits zu spät. Die äußeren Umstände für einen tödlichen
Messerstich waren günstig. Das Opfer war von kleiner Statur und saß fast aufrecht,
entblößtem Oberkörper, in einem Badezuber. Die Person,
die zustach, stand aufrecht neben der Wanne und konnte das Messer mit voller
Wucht in den Körper stoßen. - A. J. Dunning, Extreme.
Betrachtungen zum menschlichen Verhalten. Frankfurt am Main 1992
Küchenmesser (2) Ich weiß, daß sie mir kein
Glück mehr bringt (ich geh an meinem Glück vorbei wie an einem Haarkamm
auf der Straße, den aufzulesen man nicht der Mühe wert findet und dazu
einen Ekel hat); sie hat das Messer in der Hand, hat die Schürze an und
ihr langes weißes Haar hochgesteckt, sonst hat sie nichts an, denn es
wird ein heißer Tag, als die leichten hellgrauen Wildlederschuhe mit
Söckchen; das Messer ist das Küchenmesser, aber das weiß das
Küchenmesser nicht. Das dem Messer zu sagen, wäre so sinnlos als Susn zu
sagen, daß sie mir kein Glück mehr bringt. Erbost sage ich, ich brauch
kein Glück (keine Haarnadel), und schau demonstrativ in den Flox, der
heuer schön in die Hohe kommt. Aber damit halte ich Susns Nähern nicht
auf, das Messer fällt ihr nicht aus der Hand, keine Rede, daß sie es
unterwegs verlieren könnte. Birgi ist im Wald. Ich sitze. Ich bin
schlecht. Ich will die Strafe auf mich nehmen. Kocht denn Susn heute
eine Suppe? Hat sie nicht gesagt, sie macht Weißwürste heiß? wozu dann
den Schnittlauch? Sie macht geröstete Kartoffeln dazu, auf die streut
sie immer Schnittlauch, wie es ihre Großmutter immer gemacht hat, so ist
es. Mein Brustkorb nimmt eine eigentümliche birnenförmige Gestalt an,
wodurch das Ausdehnungsvermögen meiner Lunge eingeschränkt wird, das
Blut kommt schwerer durch die Lungen, und das Herz braucht mehr Kraft
für seine Arbeit. Und deshalb hab ich Kopfweh. Vielleicht stolpert sie
über den Gartenschlauch und fällt hin, ich spring auf und nach den
Angaben der Landpolizei ist es bei den Eheleuten immer wieder zu
Streitigkeiten gekommen, vermutlich ist es bei einer derartigen
Auseinandersetzung zu der verhängnisvollen Tat gekommen. Der Täter
konnte sich bei der Polizei an nichts mehr erinnern. Die Skeletteile
sind säuberlich mit einer Plane abgedeckt worden, unter der sie die
Kinder wieder hervorgezogen haben; einige Erwachsene sollen sogar
besonders schöne Knochen in Plastiktüten verpackt mit nachhause genommen
haben; erst einen Tag später wurden die von den Kindern verstreuten
Gebeine entdeckt und in den Friedhof gebracht, wo sie in würdiger Form
beigesetzt werden sollten. Ein Raupenbagger brachte aber bei Bauarbeiten
zur Erweiterung der Pfarrkirche den Sarg und die Leiche wieder zutage,
die dann im Hochwasserbereich des Baches verscharrt wurden. Das
staatliche Gesundheitsamt verwahrte sich in einem Schreiben an das
Landratsamt und die Regierung dagegen, daß bei den Arbeiten ohne jede
Vorsicht und ohne Empfindung für Pietät schonungslos ein Bagger
eingesetzt wurde. Da kommt ein Hubschrauber, komm Hubschrauber, laß eine
Strickleiter herunter, nimm mich mit und laß mich im Wald fallen,
direkt neben Birgi aufs Moos. - (acht)
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