rüppel  Herr von Pisani kam hübsch, hellhäutig, blond und geradegewachsen zur Welt, hatte aber die Wirbelsäule als Säugling verrenkt, ohne daß man es bemerkte, und wurde davon so mißgebildet, daß man ihm keinen Küraß anlegen konnte. Es verunstaltete ihn bis in die Gesichtszüge hinein, und er blieb sehr kleinwüchsig, was um so befremdlicher wirkte, als sein Vater, seine Mutter und seine Schwestern alle groß sind; man sprach vor Zeiten von den «schlanken Tannen von Rambouillet», weil sie ich weiß nicht wie viele ranke und schlanke Brüder waren. Dafür besaß Herr von Pisani viel Geist und Beherztheit. Aus Furcht, daß man ihn zum Geistlichen machte, wollte er nie studieren oder auch nur Französisch lesen lernen, und er fand erst einigen Gefallen daran, als die Übersetzung der acht Reden Ciceros im Druck erschien, von denen drei von Herrn Ablancourt sind und eine von Herrn Patru stammt. Er mochte sie und las sie allezeit. Er gab Werturteile ab, als habe er die gesamte Vernunftlehre der Welt im Kopf. Er war ein feiner Geist und war bei den Damen manches Mal wohlgelittener als die Wohlgestalteten: Bruder Lustig, der er war, sowohl bei Frauen als auch beim Spiel. Einmal machte er, um zu Geld zu kommen, seinem Vater und seiner Mutter weis - sie hatten in achtundzwanzig Jahren nur eine Nacht in Rambouillet verbracht -, daß im Park totes Holz stehe, das entfernt werden müsse, und als er die Erlaubnis dazu hatte, ließ er sechshundert Klafter vom schönsten und besten schlagen. Als er sich mit dem Herrn Prinzen stritt, denn sie stritten oft, sagte er: «Macht mich zum Prinzen von Geblüt an Eurer Statt, und bringt danach alle Vernunftgründe auf Eure Seite: Ich werde immer gegen Euch recht behalten.» Er wollte ihm auf allen Feldzügen folgen, obwohl es keine schrecklichere Gestalt zu Pferde gab als den Marquis von Pisani. Man nannte ihn «das Kamel im Troß des Herrn Prinzen». Er wurde schließlich dabei getötet; es war bei der Schlacht von Nördlingen. Er befand sich auf dem Flügel des Marschalls von Grammont, der durchbrochen wurde. Der Chevalier von Grammont schrie ihm zu: «Hier herüber, Pisani, das ist am sichersten.» Er wollte sich offensichtlich nicht in solch üble Gesellschaft retten, denn der Chevalier war hinsichtlich seiner Tapferkeit sehr verschrien; er wandte sich anderswohin und stieß auf Kroaten, die ihn niedermetzelten.  - (tal)

 

- Bettler und Krüppel, Hieronymus Bosch zugeschrieben

Mißgeburt Verkrüppelung

 

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