Kröte   Mir wird noch nicht einmal das Privileg des Zweifels zuteil, erklärt die Kröte am Ufer des Sees. Ich weiß ganz genau, wer ich bin. Ein verwünschtes Tier, das manche beim Hexensabatten gesehen haben wollen, in Samt gekleidet und aufrecht stehend auf seinen Hinterfüßen. Wenn ich in Harnisch gerate, schwitze ich ein tödliches Gift durch die Warzen meines Körpers aus.

Daher bedeutet es den Menschen nichts, daß meine Stimme sanft ist und in meinen Augen der Widerschein ferner Feuersbrünste liegt. - (tom)

Kröte (2)

Krötensenior

Krötensenior

- (grand)

Kröte (3) mhd. krëte, krot(t)e, krot, kröte, ahd. kreta, tiefstufig krota, mnd. krede, krode. Rhein. gilt krade, obd. krott (auch als gutmütige Schelte von Mädchen); Kröte (dreimal in der Lutherbibel) ist ursprünglich eine ostmd. Mischform aus mhd. krëte und krote: o liefert die Lippenrundung, e die Zungenstellung (A. Bach 1932 Teuthonista 8, 223). Man vergleicht gr. batrachos, ion. brótachos (aus *bráth-, *bróth(r)achos ,Frosch') und setzt *guredh- 'Frosch, Kröte' voraus. Die Wortkarte ,Kröte' von Helmut Klaus bei Mitzka, Dt. Wortatlas IV (1955) zeigt die Schriftform von Thüringen bis Schlesien, am Mittelmain, von Brandenburg über Posen bis Ostpreußen und bis an das Stettiner Haff, daneben auch in entrundeter Form als Krete, Kräte; den Typ Krott von der mittleren Mosel bis an die Ostgrenze Österreichs, Krate um Köln, Kroddel um Aachen. Ütze, Üsse, Ütsch (verwandt mit Unke s. d.) von der Elbmündung bis ins Westf., dazu Itsche in Hessen; Quadux in Mecklenburg, Pädde am Niederrhein; u. a. m. - Kröten ,Geld' wohl nach dem Bild der Schildkröte auf altgriech. Münzen. Vgl. Frosch, Protz, Unke - Kluge/Mitzka, Etymologisches Wörterbuch. Berlin 201967

Kröte (4)

Kröte mit Orden

- (grand)

Kröte (4) Krote Die giftige / abscheuliche / greuliche / wüste / unflätige / Giftlauche / wohnend in der Erdengrufft / nehrt sich von den faulen Lufft / lebet von dem Schleim und Pfitzen / kann den Menschen niemals nützen.

Die Kröte hat die Deutung der Vergifftung. - (hrs)

Kröte (5) Wer ist dieses Wesen dort hinten am Horizont, das es wagt, sich mir furchtlos in schrägen, unruhigen Sprüngen zu nahen; und welche Majestät mit heiterer Milde gepaart! Sein Blick, wenn auch sanft, ist tief. Seine riesigen Augenlider spielen mit der Brise und scheinen zu leben. Ich kenne es nicht. Mein Leib erzittert, während ich ihm in die gräßlichen Augen blicke; das ist das erste Mal, seit ich an den trockenen Brüsten derer saugte, die man Mutter nennt. Etwas wie ein Heiligenschein strahlenden Lichtes umgibt es. Als es zu sprechen begann, verstummte alles in der Natur und wurde von einem heftigen Schauder ergriffen. Da es dir gefällt zu mir zu kommen wie von einem Magneten angezogen, werde ich mich nicht widersetzen. Wie schön es ist! Es tut mir weh, dies zu sagen. Du mußt mächtig sein; denn dein Antlitz ist übermenschlich, traurig wie das Weltall und schön wie der Selbstmord. Ich verabscheue dich so sehr ich nur kann; und es wäre mir lieber, seit Anbeginn der Zeiten eine Schlange um meinen Hals geringelt zu sehen und nicht deine Augen...  Was!... du bist es, Kröte!... dicke Kröte!... unglückliche Kröte!... Verzeih!... Verzeih!... Was willst du auf dieser Erde, wo die Verdammten sind? Aber was hast du denn mit deinen klebrigen, stinkigen Eiterbeulen gemacht, da du so sanft aussiehst? Als du von oben herabstiegst, auf höheren Befehl, mit dem Auftrag, die verschiedenen Rassen existierender Wesen zu trösten, stürztest du mit der Geschwindigkeit des Hühnergeiers auf die Erde herab, und diese lange, herrliche Fahrt hatte deine Flügel nicht müde gemacht; ich sah dich! Arme Kröte! Wie gedachte ich doch damals der Unendlichkeit, wie gedachte ich zugleich meiner Schwäche. Noch jemand, der den Erdbewohnern überlegen ist, sagte ich mir: und das durch göttlichen Willen. Warum nicht auch ich? Was soll die Ungerechtigkeit in den höchsten Beschlüssen? Ist er von Sinnen, der Schöpfer? Doch er ist der Stärkste und furchtbar sein Zorn! Seit du mir erschienst, Herrscherin der Teiche und der Sümpfe! von einem Ruhm bedeckt, der Gott allein gehört, hast du mich teilweise getröstet; aber meine schwankende Vernunft versinkt vor solcher Größe! Wer bist du nur? Bleibe... o, bleibe noch auf dieser Erde! Falte deine weißen Flügel wieder zusammen und blicke nicht aufwärts mit unruhigen Augenlidern... Wenn du gehst, laß uns zusammen gehen!»

Die Kröte setzte sich auf die Hinterschenkel (die denen des Menschen so ähnlich sind) und während die Erdschnecken, die Kellerasseln und die Nacktschnecken beim Anblick ihres Todfeindes flüchteten, sprach sie folgende Worte: «Höre mich, Maldoror. Sieh mein Antlitz, ruhig wie ein Spiegel, und meine Intelligenz, glaube ich, ist der deinen gleich. Eines Tages nanntest du mich die Stütze deines Lebens. Seither habe ich das Vertrauen, das du in mich setztest, nicht Lügen gestraft. Ich bin nur ein schlichter Bewohner des Schilfrohrs, das ist wahr, aber dank der Berührung mit dir und da ich nur das übernahm, was du Schönes hattest, ist mein Verstand gewachsen und ich kann zu dir sprechen... » - (mal)

Kröte (6) Zur Ordnung der Froschlurche (Anura) gehören neben den Unken (Scheibenzünglern) und unterschiedlichen Froschgattungen auch die Echten Kröten (Bufonidae). Man kann nicht behaupten, daß sich diese Amphibien, nehmen wir einmal den Wetterfrosch aus, bei den Menschen großer Beliebtheit erfreuen. Vor allen anderen aber steht die Erdkröte (Bufo bufo) im Ruf, ein abstoßend grausliches Tier zu sein: Seine Farben sind von der düsteren Art, es ist mit Warzen übersät, lebt mit seinen acht (männlich) oder dreizehn Zentimetern (weiblich) Länge in dumpfen Verstecken (zum Beispiel unter Steinen), bläst sich erschreckend auf, und die Männchen bellen manchmal noch dazu wie böse Hunde. - (schen)

Kröte (7)  Und plötzlich kam's! Plötzlich, mitten aus der klaren Luft, die wie blaue Tücher um uns herumfegte, mitten aus dem krystall-klaren, azurnen Meer erschien plötzlich - ein Schiff. Ein hastiger Dampfer. Vollbeleuchtet von der mittägigen Sonne. Der ebenso schnell fuhr, wie wir. Direkt vor uns. Kittgelb wie eine Zitrone. Angestrichen, wie Niemand in der Welt je wieder sein Schiff anstreichen wird. Und da wir fast gleich schnell fuhren, so täuschte ich mich über seine wahre Bewegung. Und mit den dunklen, warzenartigen Aufsätzen der Kajütenlöcher kam das schreiend gefärbte Monstrum heran wie eine gelbe Kröte, ein riesiges, giftiges Amphib. Im Moment, da ich es sah, wurde mir leichter. Ich hatte jetzt einen entsetzlichen Gegenstand, mich daran zu halten. Und die ganze Erscheinung war bei aller Monstruosität so prachtvoll, großgeschlacht und fantastisch, daß ich wie ein Besessener auf dieses unerhörte Idol sah. Die gelben Schaufelräder arbeiteten mit heftigem Gischt. Und die blaue Flut mischte sich mit den gelben Axen und Stangen zu einem grünen Gekröse. Ueberall, ringsumher, ein Gotteswunder von einem Wetter. Ein Blau, als hätten zwanzig Himmel ihr Bestes hergegeben; als gälte es, die Stimmung eines Verbrechers zu versüßen. Weit, kolossal weit hinaus nur blaue Bänder und Streifen, blaue Kurven, Dächer und Kugelabschnitte. Und Alles durchsichtig wie eine Ewigkeit, schrankenlos wie eine Seele. Und drunten, direkt um unser Schiff, die violette Masse, wie flüssiges blaues Eisen, als hätte es in diesem Horizont, unter diesem Himmel, von diesem Firmament tagelang nur Blau geregnet. Und weiterhin die Millionen Spritzer auf dieser blauen Masse, die weißen Köpfe der Wellen... Ein kolossaler Befreiungssturm kam in meine Seele. ...

Jetzt ein Ruck, und das gelbe, nackte Ungetüm rückte uns auf den Leib, in dichtester Nähe, als wollte es uns beriechen. Ich hörte jetzt das Gezische und Gestampfe der seitlichen Triebräder. Es war faktisch ganz gelb. Der Schlot bis auf einen kleinen oberen schwarzen Streifen, und hinunter bis zum Bauch, mit einem intensiven Salamander-Gelb übergossen. Unheimlich sauste der ungeschlachte schmutzige Kübel vorwärts, ohne eigentlich vorwärts zu kommen, da wir mit ihm gleiche Strecke hielten. Jetzt, noch ein kleiner Ruck, und jetzt - jetzt saß das Ding höchstens zehn Meter von uns entfernt im Meer, in nächster Nähe, zum Greifen, so daß eine weitere Kurs-Aenderung unzweifelhaft eine Karambolierung hätte zur Folge haben müssen. - Ich blickte unwillkürlich um mich, um den Kapitän zu suchen und mich zu vergewissern, daß im Notfall dem verwegenen Dampfer Signale gegeben würden. Aber zu meinem Erstaunen lag rings um mich Alles, Passagiere und Mannschaften, blöd und schläfrig, auf dem Boden und den Bänken und sonnte sich in der weichen Luft.

Mir kam der Gedanke, daß diese ganze Erscheinung 'was zu bedeuten hätte. Mir kam der verfolgungssüchtige Gedanke, daß das Alles meinetwegen da sei. Wie ein abergläubischer Holländer, dem ein widerwärtiges Tier begegnet, warnte ich mich, daß der Coup gegen mich gerichtet sein könne.   - Oskar Panizza, Die gelbe Kröte, in: ders., Der Korsettenfritz. Geschichten. München  1981 (zuerst ca. 1890)

Kröte (8) Kröten, diese plumpen, unauffällig gefärbten und merkwürdig trägen Geschöpfe, galten im Mittelalter als Zeichen der Sünde. In einer der zahlreichen moralisierenden Geschichten des Ritters de La Tour-Landry, die Dürer illustriert hat, verkündet dieses kaltblütige Geschöpf eine buchstäblich atemberaubende Botschaft. In der hundertvierten Geschichte warnt der Ritter seine Tochter vor der Sünde des Zornes. Er verdeutlicht das am Beispiel einer reichen, dem Anschein nach großherzigen Frau, die sich durch zahlreiche gute Taten hervorgetan hatte und dann eines Tages krank wurde und starb. Der Pfarrer träumte in derselben Nacht, der Teufel trage ihre Seele mit sich davon, und sah dabei auf ihrem Herzen eine große Kröte sitzen; am folgenden Morgen erfuhr er von ihrem Tod. Obwohl ihre Verwandten und Freunde nach dem Pfarrer schickten, verwehrte er ihr ein christliches Begräbnis, da sie in der Todsünde des Zornes gestorben sei, und erklärte ihnen außerdem, man werde in ihrem Körper auf dem Herzen eine verderbte Kröte finden. Die zweifelnden Verwandten öffneten schließlich den Leichnam und fanden zu ihrem Entsetzen die Aussage des Pfarrers bestätigt, ja die Kröte antwortete auf dessen Fragen, sie sei ein Teufel und habe die Frau seit zwanzig Wintern zu allen möglichen Sünden verführt, besonders aber zu jener des Zornes. Neulich habe sie ihr bei der Beichte auf dem Herzen gesessen und es mit ihren vier Klauen so fest umklammert und vergiftet, daß sie keine Reue habe empfinden können. Nun habe sie den Sieg davongetragen, die Frau gehöre ihr und werde für immer in der Hölle schmoren.

Kröte mit Frau

Dürers früher Holzschnitt stellt die »Obduktion« als moralisch begründeten Eingriff dar und zeigt die Kröte als mit der Verstorbenen verwachsen; sie lebt auf und in ihrem Körper und nährt sich von ihrem Fleisch. Immer noch schön anzusehen, liegt die Frau wie ein Bildnis auf dem Tisch des Leichenöffners. - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)

Kröte (9) Ich brauche noch den ganzen Oktober, bis ich zu Kapitel XIV komme, dem noch ein kurzes weiteres folgen soll. Es dauert lang, und der Stil wird darin immer unmöglicher.  Ich bin wie eine Kröte, die von einem Pflasterstein zerquetscht ist, wie ein Hund, dem ein Wagen voll Sch ... die Eingeweide herausgedrückt hat, wie ein Rotzjunge unter dem Stiefel des Gendarmen, usw. Die Kriegskunst der Alten blendet und erfüllt mich; ich kotze Katapulte, ich habe Schleudermaschinen im Arsch und pisse Skorpione. Willst Du meine geheimsten Gedanken über das, was man alles sagen wird? Vorausgesetzt, daß man es mir nicht ins Gesicht sagt, das ist alles, was ich verlange. Du kannst Dir nicht vorstellen, welche Last es bedeutete, die ganze Masse von Kadavern und Schrecken zu tragen; mir tun tatsächlich die Muskeln davon weh.  - Flaubert an Ernest Feydeau, nach (flb)

Kröte (10)    Die Aehnlichkeit der Kröte mit Koth und Schlamm reicht doch nicht aus, den gränzenlosen Abscheu, ja das Entsetzen und Grausen zu erklären, welches einige Leute beim Anblick dieser Thiere, wie andere bei dem der Spinnen, befällt: vielmehr scheint dieses in einer viel tieferen, metaphysischen und geheimnißvollen Beziehung seinen Grund zu haben. Dieser Meinung entspricht der Umstand, daß man zu sympathetischen Kuren (und Malefizien [Zaubereien]), also zu magischen Zwecken, gerade diese Thiere zu nehmen pflegt, z. B. das Fieber vertreibt, durch eine in einer Nußschaale eingeschlossene Spinne, am Halse des Kranken getragen, bis sie todt ist; oder, bei großer Todesgefahr, eine Kröte, in den Urin des Kranken gelegt, in einem wohlverschlossenen Topfe, Mittags Schlag zwölf Uhr im Keller des Hauses vergräbt. Die langsame Todesmarter solcher Thiere verlangt jedoch von der ewigen Gerechtigkeit eine Abbüßung: Dies nun wieder giebt eine Erläuterung der Annahme, daß wer Magie treibt sich dem Teufel verschreibe. - (schop)

Kröte (11)  „Also Sophie," rief Curval, dessen Schwanz schon heftig zu gestikulieren begann, „Fanchon, bring das Opfer herbei!" Dem armen Kind wurde schon im vorhinein übel, Curval lachte dazu, näherte seinen dicken, häßlichen und dreckigen Arsch dem charmanten kleinen Gesichtchen und veranschaulichte das Bild einer Kröte, die über eine Rose kriecht. Man wichste ihn, die Bombe platzte, und Sophie bekam alles in den Mund, aus dem der Schweinkerl seinen eigenen Dreck wieder zurücksaugte, während man ihn auf dem Bauche der kleinen Unglücklichen schleckte. Sophie erbrach dreimal auf die Nase Durcets, der davon entzückt war und sich abwichste. - (sad)

Kröte (12) Ein Stein war ihr Ahne, unter einem Stein lebt sie, und dieser wird dereinst ihr Denkmal sein.

Ich besuche sie öfters, und jedesmal, wenn ich ihren Stein aufhebe, wird mir bange, sie wiederzufinden, und bange, sie könnte nicht mehr da sein.
Aber da ist sie wieder!

Aufgeschwollen wie die Börse eines Geizigen, liegt sie wohlgeborgen auf ihrer trockenen, sauberen Lagerstätte, die gänzlich von ihr ausgefüllt wird.

Nur das Regenwetter kann sie veranlassen, auszugehen und mir entgegenzukommen.

Nach ein paar plumpen Sprüngen hält sie, auf ihren Schenkeln sitzend, inne und betrachtet mich mit geröteten Augen.

Mag die schnöde Welt sie als eine Aussätzige behandeln - ich für meinen Teil scheue mich nicht, neben ihr niederzukauern und mein menschliches Angesicht dem ihrigen zu nähern. Und auch den letzten Rest meines Ekels werde ich überwinden und dich, o Kröte, mit meiner Hand liebkosen.

In diesem Leben muß so manches geschluckt werden, was einem weit schlechter bekommt.

Gestern aber ließ ich mir leider einen Taktfehler zuschulden kommen. Als es aus all ihren aufgebrochenen Warzen gärte und heraussickerte, sagte ich zu ihr:

»Meine arme arme Freundin, ich will dir nicht wehe tun, aber es ist leider Gottes wahr - du bist häßlich!«

Da öffnete sie ihren heiß atmenden, zahnlosen Kindermund und entgegnete mir mit leicht englischem Akzent:
»Et toi?« - Jules Renard, nach (arc)

 


Tiere, reale Aufgeblasenheit Ekel Reptil

 


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{?}

 

VB
Schleim

Synonyme
{?}