Am Strand erzählte sie, daß ihre Mutter »Du bist eine dumme Pute« zu ihr
sage, weil sie für Christian Science kein Interesse habe und nur solche Leute
wie die Schnucki und das Rallchen kenne, die beide Malerinnen waren. Als Mitinhaberin
einer Kunststoffabrik konnte sich Schnucki ein freischwebendes Künstlerdasein
leisten. Das Rallchen aber zehrte von Schnuckis Reichtum, weil Schnucki froh
war, im Appartementhaus jemanden bei sich zu haben, der ihr die Einsamkeit verscheuchte.
Dafür war Frau Rall gut geschaffen, weil sie immer wieder für Aufregungen sorgte,
weinte, daß ihre Tränentropfen die Zeitung bespritzten, in der sie las, oder
Fotografien von sich selber herumzeigte und sagte: »Darauf könnte ich mich küssen!«
Sie fand es - laut Diana Schmöller - interessant, ihren Busen immer wieder einem
anderen Mann zu zeigen, während Schnucki von sich selbst zu sagen pflegte, sie
sei nicht ganz fertiggemacht worden, fände es aber höchst interessant, wenn
sie mal einen Kuß bekäme. - Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main
1988
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