Andre hat man im Augenblick, da ihnen Atropos das Fädlein des Lebens abschnitt, sich bitterlich beklagen und beschweren gehört, daß sie Pantagruel bei der Kehl hätt. Doch, ach! er dacht nicht dran, er hat im Leben nicht den Racker gemacht. Es war sein Pantagruelion, welches das Amt des Stranges versah und ihnen statt Ringkrägleins dienet': und redeten sehr ungehörig und solöcistisch; man müßt sie dann mit der Figur der Synekdoche entschuldigen, daß sie die Erfindung für den Erfinder genommen hätten, wie man Ceres für Brot und Bacchus für Wein sagt. Denn dies schwör ich euch bei allen guten Wörtlein hie in meinem Fläschel, das so frisch in diesem Kühltrog vor mir sitzt: nie hat der edle Pantagruel noch einen bei der Kehl gehabt als wer sich säumig finden ließ, der drohenden Durst-Not vorzubeugen.
Ferner heißts Pantagruelion von der Ähnlichkeit. Denn als Pantagruel jung ward, kam er gerad so groß zur Welt als dies Gewächs, wovon ich sprech, und ward daran leicht das Maß genommen, maßen er just in der durstigen Zeit zur Welt kam, da man dies Kräutlein erntet und da der Hund des Ikarus durch sein Bellen zur Sonn hinan alle Welt troglodytisch gesinnt macht und in Kellern und Höhlen zu wohnen zwingt. Ferner heißts Pantagruelion von seinen Qualitäten und Gaben. Denn, wie Pantagruel Muster und Fürbild jeder fröhligen Trefflichkeit war (woran ich hoff, daß von euch andern Zechern keiner mehr zweifeln wird), gewahr ich auch am Pantagruelion so viel erstaunliche Tugenden, Kraft, Trefflichkeiten und Eigenschaften, daß, wenn es zur Zeit, als sich die Bäum, wie der Prophet schreibt, einen hölzernen König und Herren auserkoren, nach seinen Gaben erkannt war worden, es tweifelsohn die Mehrheit der Stimmen und Vota davongetragen hätt. Was sag ich? Wenn es Oxylus, der Sohn Orii, mit seiner Schwester Hamadryas erzeugt hätt, war er von seinem Wert allein entzückter als von allen seinen acht andern Kindern zumal gewesen, die unsre Mythologen so berühmt gemacht, daß ihre Namen unsterblich worden. Die älteste Tochter hieß Reb, der zweite Sohn Feigenstock, der dritte Nußbaum, der vierte Eich, der fünfte Spierling, der sechste Quitzen, der siebente Pappel, der jüngst und letzt hieß Ulmenbaum und war seiner Zeit ein großer Feldscheer.
Ich schweig davon, wie dieses Krautes Saft, wenn man ihn ausdruckt und in die Ohren träufelt, alle Arten Ungeziefers, so sich durch Fäulnis darin erzeugt und iglich Tier, so hinein kam, tötet. Tut ihr von diesem Saft etwas in ein Schaff Wassers, werd ihr plötzlich das Wasser wie Molken gerinnen sehn: so groß ist seine Kraft; und ist dies also geronnene Wasser für Pferds-Dampf und Cholik ein erprobtes Mittel. Die Wurzel desselben in Wasser gekocht, erweicht die eingeschwundenen Nerven, contrakten Gelenk, Gichtknoten und scyrrhotisch Podagra. Wenn ihr einen Brandschaden, von Feuer oder Wasser, schleunig heilen wollt, legt nur Pantagruelion roh drauf, das heißt, so wie es aus der Erd kommt, ohn allen Beisatz noch Zurichtung, und traget Sorg es zu erneuern, so wie ihrs trocknen seht auf der Wund.
Ohn dies war keine Küch was nutz, die Tafeln zu tadeln, wenn schon besetzt mit den erlesensten Leckerbissen; die Betten bettelhaft, und wenn sie von Gold und Silber, Elfenbein, Bernstein und Porphyr starreten. Ohn dies brächt kein Müller Ge-treid zur Mühl, noch Mehl heraus. Ohn dies, wie brächt man die Schriften der Advocaten aufs Amt? Wie den Gips zur Werkstatt? Ohn dies, wie wollt man das Wasser aus den Brunnen ziehn? Ohn dies, was fingen die Tabellionen, Copisten, Secretarien und Schreiber an? Müßten die Archiv und Rentkataster nicht untergehn? Die edle Druck-Kunst nicht untergehn? Wovon macht' man die Fürsetzfenster? Womit zog man die Glocken an? Dies schmückt die Isispriester, kleidet die Pastophoren, dies bedeckt die ganze menschliche Natur in erster Position. Die ganzen Baumwollbäum der Serer, Gossampinen von Tylos im Perser-Meer, alle Cynen der Araber und Malteser Reben kleiden nicht so viele Leut als dies einige Kräutlein. Es beschirmt die Armeen vor Frost und Regen traun weit gemächlicher als kein Pelzwerk, schirmet Theater und Amphitheater vor Sonnenbrand, umfriedigt Wald und Forst nach Wunsch der Jäger, taucht, den Fischern zum Ersprieß in süß und salzig Wasser. Durch dies sind Stiefel, Stiefelein, Stiefletten, Lersen, Reiterstrümpf, Schuh, Socken, Latschen, Schlarrn, Pantoffeln in Schick und Brauch und Umlauf kommen. Da spannet man die Bogen mit, zeucht Armbrüst auf, macht Schleudern. Ja, als ob es ein heilig, verbenisch, den Manen und Lemuren verehrlich Kraut war, begräbt man auch die Toten nicht ohn selbiges.
Noch mehr: vermittelst dieses Krautes werden selbst die unsichtbaren Wesen sichtbar bestrickt, verhaftet, eingefangen und gleichsam in den Kerker getan; durch deren Haft und Einhegung die großen ungeschlachten Mühlen sich zu ausnehmendem Ersprieß des menschlichen Lebens gefügig umdrehn. Und nimmt mich Wunder, wie die Erfindung solchen Brauches so viele Säculn den alten Weisen verborgen ist blieben; in Betracht des unschätzbaren Vorteils, so draus erwächst, und der unleidlichen Müh und Arbeit, die sie in ihren Pistrinis bestehn mußten. Mittelst desselben treibt man durch Stauung der Luftström die gewaltigen Orkaden, die starken Galionen, die geraumigen Thalamegen, die chili- und myriandrischen Schiff von ihren Stationen, und führet sie nach Belieben des Steuermanns. Mittelst desselben sind die Völker, so die Natur dem Ansehn nach uns ganz verborgen, unzugänglich und fremd hielt, zu uns, wir zu ihnen kommen: was selbst kein Vogel zwäng, wie leicht er auch befiedert sein möcht und welche freie Luftschwimmkraft Natur ihm auch verliehen hätt. Taprobane hat Lappland, Java hat die Rhiphäischen Berg erblickt: Phöbol wird Thelem sehn, Isländer und Grönländer den Euphrat. Hiedurch ist Boreas bis zu des Austers Wohnung gedrungen, hat Eurus Zephyrum besucht.
Dergestalt, daß die himmlischen Mächt, Meer- und Landgötter insgesamt
erschrocken sind, wie durch Gebrauch dieses gebenedeieten Kräutleins sie
auf einmal die arktischen Völker im vollen Aspekt der antarktischen gesehen
haben, wie sie sich durch das atlantische Weltmeer geschwungen, die beiden
Wendkreis überhupft, unter der heißen Zon passieret, den ganzen Zodiakus
ausgemessen, sich unter dem Äquator erlustigt, beide Pol vor gleichen Augen
auf ihrem Horizont gehabt. In solchem Schrecken haben sich die olympischen
Götter vernehmen lassen: Pantagruel macht uns neue Sorg, er gibt uns härter
zu raten auf als die Aloiden nimmermehr, durch seines Krautes Gebrauch
und Kraft. Er wird in kurzem Hochzeit machen, wird Kinder zeugen mit seinem
Weib; dem Los läßt sich nicht widerstreben, denn es ist durch die Hand
und Spindeln der Zwang-gebornen Schicksalsschwestern gegangen. Wer weiß,
erfinden nicht noch seine Kinder ein andres Kraut von gleicher Kraft, wodurch
die Menschen bis zu den Quellen des Hagels dringen, den Regen-Hähnen, der
Blitz-Werkstatt? Dann werden sie in den Mond-Gau brechen, das Weichbild
der himmlischen Zeichen erstürmen, sich einquartieren, der ein im güldnen
Adler, der andr' im Widder, der dritt zur Kron, der viert zur Harf, der
fünft zum silbernen Leuen, sich mit uns zu Tafel
setzen und unsre Göttinnen ehelichen, der einige
Weg, selbst Gott zu werden. - (
rab
)
|
||
|
||