Krabbensöhne    Es waren einmal zwei Männer, die hießen Naneken und Schauen-pok und wohnten in der Landschaft Kitti auf Ponape. Eines Tages besuchte Nanaken den Schauenpok und lud ihn ein, am nächsten Morgen mit auf den Fischfang zu gehen. Schauenpok sagte ja. Sie legten dann ihr Fischereigerät zurecht und fuhren am ändern Morgen auf den Fang. Gegen Abend kamen sie auf eine kleine Insel. Sie rasteten dort, und Naneken, den die Anstrengungen des Tages sehr müde gemacht hatten, schlief bald ein. Als Schauenpok es bemerkte, schob er vorsichtig das Boot, in dem Naneken eingenickt war, ins Wasser. Der Habgierige wollte nämlich alle Fische für sich allein behalten. Das Boot trieb auf das hohe Meer hinaus, und als Naneken erwachte, da sah er rings um sich herum nur Wasser und nirgendwo eine Spur von Land. Er war aber guten Mutes und nahm einen Kokoswedel aus dem Boot. Als er damit das Orakel befragte, verkündigte es ihm einen günstigen Ausgang seiner Irrfahrt. Plötzlich kam eine kleine braune Möwe herbei, die nahm das Boot in den Schnabel und trug es durch die Lüfte weit fort in ein fernes Land. Dort setzte sie das Boot im Wipfel eines Mangrovenbaumes ab. Naneken stieg aus und kletterte den Baum hinab; mit den Füßen klammerte er sich dabei am Stamm fest.

Nun wohnte unten zwischen den Wurzeln eine kleine Krabbe, und als Naneken ihr zu nahe kam, öffnete sie ihre Scheren und zwickte ihn tüchtig in die Zehe. Er zog schnell die Beine hoch und wunderte sich nicht wenig, als die Krabbe ihn aufforderte, doch ruhig herabzusteigen. Schließlich tat er es, und die Krabbe führte ihn in ihr Haus. Dort bewirtete sie ihn, und beide befragten darauf das Kokos-blattorakel, das ihnen den Rat gab, Naneken solle sich lieber unter dem Baum verstecken. Es geschah, und bald danach kamen die Söhne der Krabbe nach Hause; es waren Riesen, die gern Menschen fraßen. Sie riefen: »Mutter, hier riecht es! Hier riecht es nach Menschen! Wo steckt der Kerl? Woher ist er gekommen?« Die Krabbe antwortete: »Was fragt ihr mich danach? Ihr kommt jeden Tag unter Menschen, und jetzt erkundigt ihr euch bei mir nach Menschen?« Sie ließen jedoch mit ihren Fragen nicht nach, bis sie zuletzt zu ihnen sagte: »Wenn ich euch nun einen zeige, freßt ihr den auch auf?« Da erwiderten die Riesen: »Aber Mutter! Wenn du einen Menschen bei dir aufgenommen hast, werden wir ihn dir doch nicht wegfressen.« Jetzt rief sie den Naneken herbei. Die Riesen tanzten und spielten mit ihm, bis sie alle hundemüde waren. Dann legten sie sich hin und schliefen bis in den hellen Morgen hinein.   - Südsee-Märchen. Hg. Paul Hambruch. Köln Düsseldorf 1979 (Diederichs: Märchen der Weltliteratur)

Krabbe Sohn

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