osmogonie, häretische Am Anfang der Kosmogonie von Basilides gibt es einen Gott. Diese Gottheit ermangelt auf majestätische Art eines Namens ebensowohl wie eines Ursprungs; daher ihre annähernde Benennung »pater innatus«. Ihr Medium ist das pleroma oder die Fülle: das unbegreifliche Museum der platonischen Archetypen, der intelligiblen Wesenheiten, der Universalien. Als Gott ist er unwandelbar, doch gingen aus seiner Ruhe sieben subalterne Gottheiten hervor, die, indem sie sich zum Handeln herabließen, einen ersten Himmel stifteten und ihm vorstanden. Aus dieser ersten demiurgischen Corona trat eine zweite hervor, auch sie mit Engeln, Mächten und Thronen, und diese begründete einen anderen niedrigeren Himmel, der das symmetrische Duplikat des ursprünglichen war. Dieses zweite Konklave wurde in einem dritten reproduziert und dieses in einem noch rangniedrigeren und so fort bis 365. Der Herr des untersten Himmels ist der Herr der Heiligen Schrift, und sein Bruchteil an Göttlichkeit beträgt nahezu Null.
Er und seine Engel begründeten diesen sichtbaren Himmel, kneteten diese bedeutungslose Erde, auf der wir gehen, und teilten sie dann untereinander auf. Das vernünftige Vergessen hat die Fabeln verwischt, die diese Kosmogonie zum Ursprung des Menschen beitrug, doch erlaubt uns das Vorbild anderer zeitgenössischer Phantasien, diese Lücke auszugleichen, wenn auch nur unbestimmt und vermutungsweise. In dem von Hilgenfeld publizierten Fragment hatten die Finsternis und das Licht von jeher koexistiert, ohne einander zu erkennen; als sie einander schließlich ansichtig wurden, kehrte sich das Licht nach einem flüchtigen Blick sogleich ab; die verliebte Dunkelheit indessen bemächtigte sich seines Reflexes oder Gedächtnisses, und so entstand der Mensch. In dem ähnlichen System von Satornilos gewährt der Himmel den schaffenden Engeln eine momentane Schau, und nach seinem Bilde wird der Mensch erschaffen, doch kriecht er am Boden hin wie eine Schlange, bis der Herr aus Erbarmen einen Funken seiner Macht auf ihn überträgt. Auf das gemeinsame Element in diesen Erzählungen kommt es an: unsere übermütige oder schuldhafte Improvisation durch eine mangelhafte Gottheit aus undankbarem Stoff.
Ich komme auf die Geschichte von Basilides zurück. Angesichts der von den
plumpen Engeln des hebräischen Gottes geplagten Menschenherde erbarmte sich
ihrer der zeitlose Gott, der ihr einen Erlöser zubestimmte.
Dieser mußte einen illusorischen Leib annehmen, da das Fleisch erniedrigt.
Sein von Leiden unberührtes Scheinbild hing öffentlich am Kreuz, aber der essentielle
Christus durchquerte die einander überlagernden Himmel und wurde wieder Teil
des pleroma. Er durchmaß sie ungefährdet, da er die geheimen Namen ihrer
Gottheiten wußte. »Und diejenigen, so die Wahrheit dieser Geschichte wissen«,
schließt das von Irenäus überlieferte Glaubensbekenntnis, »werden sich
frei wissen von der Macht der Fürsten, die diese Welt erbaut haben. Jeder Himmel
hat seinen eigenen Namen und ebenso jeder Engel und Herr und alle Mächte dieses
Himmels. Wer ihre unvergleichlichen Namen weiß, der wird sie unsichtbar
und sicher durchqueren gleich dem Erlöser. Und so wie der Sohn von keinem wiedererkannt
wurde, so auch nicht der Gnostiker. Und diese Geheimnisse sollen nicht kundgemacht
werden, sondern bewahrt in Stillschweigen. Erkenne alle, auf daß keiner dich
erkenne.« -
Jorge Luis Borges, Eine Rechtfertigung des falschen Basilides. In: J.L.B., Kabbala und Tango. Essays. Frankfurt am Main 1991
Kosmogonie,
häretische
(2) Der schwindelerregende Turm der Himmel in der basilidianischen
Häresie, die wuchernde Zahl ihrer Engel, der planetarische Schatten erdumwälzender
Demi-urgen, die Machenschaften der unteren Kreise gegen das pleroma,
die dichte, wenn auch unfaßbare oder nominelle Bevölkerung dieser weiten Mythologie,
sie zielen auf die Herabminderung dieser Welt ab. Nicht unser Böses,
sondern unsere zentrale Bedeutungslosigkeit werden
in ihr gepredigt. Wie bei den gewaltigen Sonnenuntergängen über der Ebene ist
der Himmel inbrünstig und monumental, die Erde arm. Dies ist die rechtfertigende
Absicht der melodramatischen Kosmogonie von Valentinus, die ein unendliches
Fabelthema ausspinnt, von zwei übernatürlichen Brüdern, die sich wiedererkennen,
von einer gefallenen Frau, von einer vereitelten gewaltigen Intrige der bösen
Engel und einer Vermählung am Schluß. In diesem Melodrama oder Feuilleton-Roman
ist die Schöpfung der Welt ein bloßer Nebenakt. Großartige Idee: die Welt vorgestellt
als ein im tiefsten nichtiger Vorgang, als ein verlorener Seitenreflex alter
himmlischer Episoden. Die Schöpfung als Zufall.
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Jorge Luis Borges, Eune Rechtfertigung des falschen Basilides. In: J.L.B., Kabbala und Tango. Essays. Frankfurt am Main 1991
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