opftypologie Man sieht wohl, daß, wenn1 das Vermögen der Erkenntnis überhaupt Verstand (in der allgemeinsten Bedeutung des Worts) heißen soll, dieser das Auffassungsvermögen (attentio) gegebener Vorstellungen, um Anschauung, das Absonderungsvermögen dessen, was mehreren gemein ist (abstractio), um Begriff, und das Überlegungsvermögen (reflexio),umErkenntnis des Gegenstandes hervorzubringen, enthalten müsse.
Man nennt den, welcher diese Vermögen im vorzüglichen Grade besitzt, einen Kopf; den, dem sie in sehr kleinem Maß beschert sind, einen Pinsel (weil er immer von ändern geführt zu werden bedarf); den aber, der sogar Originalität im Gebrauch desselben bei sich führt (kraft deren er, was gewöhnlicherweise unter fremder Leitung gelernt werden muß, aus sich selbst hervorbringt), ein Genie.
Der nichts gelernt hat, was man doch gelehrt werden muß, um es zu wissen,
heißt ein Ignorant, wenn er es hätte wissen sollen ; sofern er einen
Gelehrten vorstellen will; denn ohne diesen Anspruch kann er ein großes Genie
sein. Der, welcher nicht selbst denken, wenn gleich viel lernen kann,wird ein
beschränkter Kopf (borniert)genannt. -Man kann ein vaster Gelehrter
(Maschine zur Unterweisung anderer, wie man selbst unterwiesen worden) und,
in Ansehung des vernünftigen Gebrauchs seines historischen Wissens, dabei doch
sehr borniert sein. - Der, dessen Verfahren mit dem, was er gelernt hat, in
der öffentlichen Mitteilung den Zwang der Schule (also Mangel der Freiheit im
Selbstdenken) verrät, ist der Pedant; er mag übrigens Gelehrter oder
Soldat, oder gar Hofmann sein. Unter diesen ist der gelehrte Pedant im
Grunde noch der erträglichste; weil man doch von ihm lernen kann: da hingegen
die Peinlichkeit in1 Formalien (die Pedanterie) bei den letzteren nicht allein
nutzlos, sondern auch, wegen des Stolzes, der dem Pedanten unvermeidlich anhängt,
obenein lächerlich wird, da es der1 Stolz eines Ignoranten ist. - Immanuel
Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (zuerst 1798/1800)
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