opf,
sprechender
Und wieder rief der Weise: ,Schone mich, so wird Allah dich
schonen, und töte mich nicht, sonst wird Allah dich töten!' Als
nun der Weise sich überzeugt hatte, daß der König ihn sicher töten würde, sprach
er zu ihm: ,O König, wenn es nicht anders ist, als daß du mich töten lassest,
so gewähre mir eine kurze Frist, damit ich in mein Haus hinuntergehen kann,
um die Meinen und meine Nachbarn zu beauftragen, mich zu begraben, und um meine
Verbindlichkeiten zu lösen und meine Bücher der Heilkunst zu vermachen. Unter
diesen habe ich eins, die seltenste Seltenheit, das möchteich dir zum Geschenk
machen, damit du es als einen Schatz in deiner Schatzkammer aufbewahrest.' Der
König fragte den Weisen: ,Und was steht in dem Buch?' Der Weise erwiderte: ,Dinge
ohne Zahl; das geringste aber der Geheimnisse darin ist dies: gleich wenn du
mir den Kopf hast abschlagen lassen, so schlage drei Blatter um und lies drei
Zeilen der Seite zur Linken, und mein Kopf wird reden und auf alles antworten,
was du ihn zu fragen geruhst.* Der König geriet in höchste Verwunderung, schüttelte
sich vor Freude und sagte: ,O Arzt, wenn ich dir den Kopf abschlage, wirst du
dann wirklich mit mir reden?' Und er erwiderte: Ja, o König!' Da sprach der
König: ,Dies ist wirklich etwas Seltsames!' Dann schickte er ihn unter Bewachung
in sein Haus, und der Weise erledigte seine Verbindlichkeiten an jenem Tage.
Am nächsten Tage trat er wieder in die Regierungshalie des Königs, wo die Emire
und Wesire versammelt waren, die Kammerherren, Statthalter und Großen des Reiches;
und der Saal war bunt wie die Blumen des Gartens. Und siehe, der Arzt kam herein
in den Saal, und er trat vor den König mit seinem. Wächter und hielt ein altes
Buch und ein Metallbüchschen mit Pulver inder Hand. Dann setzte er sich nieder
und sprach: ,Gebt mir ein Tablett!' Da brachten sie ihm ein Tablett, und er
schüttete das Pulver darauf, glättete es und sagte zuletzt: ,O König, nimm dies
Buch, aber Öffne es nicht, bis mein Kopf fällt; wenn er aber gefallen ist, so
setze ihn auf dies Tablett und lasse ihn auf das Pulver drücken. Wenn du das
getan hast, so wird alsbald das Blut aufhören zu fließen. Dann öffne das Buch!'
Darauf gab der König den Befehl, daß sein Kopf abgeschlagen werden sollte, und
er nahm das Buch von ihm. Und der Scharfrichter ging hin und durchschlug jenem
den Hals. Da fiel sein Kopf mitten auf das Tablett, und er drückte ihn in das
Pulver hinunter. Und das Blut hörte auf zu fließen, und der Weise Dubän schlug
die Augen auf und sprach: .Offne das Buch, o König!' Der König öffnete das Buch
und fand, daß die Blätter zusammenhefteten; da führte er den Finger zum Munde,
benetzte ihn mit seinem Speichel und wandte nun das erste Blatt, und ebenso
das zweite und das dritte, aber die Blätter ließen sich nur mit Mühe wenden;
und als er sechs Blätter umgewandt hatte, sah er sie an, und als er nichts daraufgeschrieben
fand, sprach er: ,O Arzt, hier steht nichts geschrieben!' Der Weise aber erwiderte:
,Wende noch mehr!' Und er wandte auf dieselbe Art noch drei um. Aber kaum war
ein Augenblickvergangen, da durchdrang ihn sofort das Gift, mit dem das Buch
vergiftet war. Und alsbald verfiel der König in starke Krämpfe, und er rief:
,Gift hat mich durchdrungen!' Da sprach des weisen Dubân Kopf folgende Verse:
Sie herrschten ungerecht, und so herrschten sie lange
Zeit;
Aber die Herrschaft geriet alsbald in Vergessenheil.
Für Recht hätten
sie auch Recht erfuhren, allein
Ihr Unrecht vergalt das Geschick mit Unrecht
in Trauer und Pein.
Und so geschah's, daß die Stimme des Schicksals zu ihnen
spricht:
Dies ist der Lohn für jenes! Man tadle das Schicksal nicht!
Kaum hatte der Kopf des Weisen zu reden aufgehört, so stürzte der König tot
zu Boden. - (1001)
Kopf, sprechender (2)
- Abraham a Santa Clara, Judas der Ertz-Schelm (zuerst 1686, Auswahl
Darmstadt 1968)
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