oordination Die Insel war von einer Mauer umgeben. Als sie sich näherten, richtete sich hinter den Steinen ein dickes riesiges Tier mit borkiger Haut auf und rannte mit der Geschwindigkeit des Windes über die Insel dahin. Darauf erklomm es den höchsten Punkt, stellte sich auf einen flachen Stein, und sie sahen, wie sich die Knochen unter der Haut drehend bewegten, während sich die Haut darüber nicht rührte.
Dann schien das Tier müde von diesem seltsamen Tun und ruhte sich aus. Es begann seine Haut vom Körper zu lösen und sie flatterte wie ein Segel, aber die Knochen unter der Haut bewegten sich nicht.
Danach rannte das Untier wieder auf der Insel umher, und sie hatten
den Eindruck, es erfrische sich dabei. Abermals erklomm es den höchsten
Punkt, und während nun sein Unterkörper völlig regungslos blieb, bewegte
es den Oberkörper in kreisenden Bewegungen als laufe da ein flacher Mühlstein.
Maildun und seine Männer beschlossen nach diesen merkwürdigen Beobachtungen,
nicht auf der Insel zu landen.
-
(anders)
Koordination (2) Mrs. Pengallis wandte sich Miss Kittridge zu. »Gab es denn da auch einen richtigen Arzt, der sich darum gekümmert hat, daß die Bewegungen koordiniert sind und so - weiter?«
»Oh ja, einen tadellos aussehenden Landarzt, gestreifte Hosen, nicht ganz die richtige Aufmachung, und Bowler, und er hatte eine kleine schwarze Tasche. Ich mußte mit geschlossenen Augen meine Nasenspitze berühren und mit kurzen Schritten eine gerade Linie laufen und mich nach hinten beugen, ohne zu fallen.«
»Und haben Sie das geschafft?«
»Aber gewiß doch. Er verließ das Zimmer, kam jedoch fast augenblicklich wieder zurück; er hatte meine Reflexe vergessen, meine Knie. Ich erklärte ihm, die seien in Ordnung - gegen die muß man nämlich mit der Handkante schlagen oder mit einem Hämmerchen. Ich erklärte ihm, sie funktionierten bestens, doch gegen eins hat er trotzdem geschlagen.«
»Und was passierte dann?« fragte Mrs. Beadle.
Miss Kittridge stand auf. Sie wandte sich Mrs. Beadle zu. »Ich hab ihm seinen
Hut vom Kopf geschlagen«, sagte sie. - Djuna Barnes, Saturnalien. In: D. B., Hinter dem Herzen. Berlin 1994
Koordination (3) Er beobachtete
nicht nur jede Geste Stillman, beschrieb jeden Gegenstand, den er für seine
Tasche auswählte oder verwarf, und notierte den genauen Zeitpunkt jedes Ereignisses,
sondern zeichnete auch mit peinlicher Sorgfalt einen genauen Plan der Exkurse
Stillmans auf und vermerkte jede Straße, der er folgte, jede Wendung, die er
machte, und jede Pause, die eintrat. Das rote Notizbuch beschäftigte Quinn nicht
nur, es verlangsamte auch sein Tempo. Die Gefahr, Stillman zu überholen, bestand
nicht mehr. Das Problem war vielmehr, mit ihm Schritt zu halten, um sicherzugehen,
daß er nicht verschwand. Denn Gehen und Schreiben
waren zwei Tätigkeiten, die sich nicht leicht miteinander vereinbaren ließen.
Wenn Quinn in den letzten fünf Jahren seine Tage damit verbracht hatte, entweder
das eine oder das andere zu tun, so versuchte er nun beides zugleich. Anfangs
machte er viele Fehler. Besonders schwierig war es zu schreiben, ohne auf das
Blatt zu sehen, und er stellte oft fest, daß er zwei oder sogar drei Zeilen
übereinander geschrieben und einen verworrenen, unlesbaren Palirnpsest produziert
hatte. Auf das Blatt zu sehen bedeutete jedoch stehenzubleiben, und damit erhöhte
sich die Gefahr, Stillman zu verlieren. Nach einer Weile fand er heraus, daß
es im Grunde darum ging, wie er den Block hielt. Er experimentierte mit dem
Notizbuch in einem Winkel von fünfundvierzig Grad, aber dabei ermüdete sein
linkes Handgelenk zu rasch. Danach versuchte er, das Notizbuch direkt vor sein
Gesicht zu halten und über den Rand zu spähen wie ein lebendig gewordener Kilroy,
doch das erwies sich als unpraktisch. Als nächstes probierte er, das Notizbuch
mehrere Zoll über dem Ellbogengelenk auf dem rechten Arm aufzustützen und den
Rücken des Buches mit der linken Handfläche zu halten. Aber dabei verkrampfte
sich die Schreibhand, und es war unmöglich, auf der unteren Hälfte der Seite
zu schreiben. Zuletzt beschloß er, das Notizbuch gegen die linke Hüfte zu halten,
etwa wie ein Maler seine Palette hält. Das ging besser. Das Tragen war nicht
mehr so anstrengend, und er hatte die rechte Hand zum Schreiben frei. Obwohl
auch diese Methode ihre Nachteile hatte, schien sie auf die Dauer doch die bequemste
zu sein. Denn Quinn war nun imstande, seine Aufmerksamkeit zu beinahe gleichen
Teilen Stillman und dem Schreiben zuzuwenden, indem er bald auf den Mann, bald
auf das Blatt blickte und Sehen und Schreiben in derselben fließenden Bewegung
vereinte. Mit dem Kugelschreiber des Taubstummen in der rechten Hand und dem
Notizbuch an der linken Hüfte folgte Quinn Stillman weitere neun Tage lang.
- Paul Auster, Die Stadt aus Glas. in: P. A., Die New-York-Trilogie.
Reinbek bei Hamburg 1991
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