onsum   Es dürfte die Bemerkung angebracht sein, daß in allen, jedoch besonders in jenen Gemeinden, in denen die Wohnhäuser von einem sehr bescheidenen Aufwand zeugen, das Gotteshaus um so prächtiger, Architektur und Dekoration um so verschwenderischer sind. Dies gilt zwar für alle Sekten und Kulte, für die christlichen so gut wie für die heidnischen, doch in ganz besonderem Maße für die älteren und reiferen Kulte. Gleichzeitig trägt die heilige Stätte, selbst im Vergleich zu den bescheidensten Wohnungen, wenig oder nichts zur Bequemlichkeit der Gläubigen bei. Doch damit nicht genug; die meisten Menschen sind nämlich der festen Überzeugung, daß ein richtiges und erleuchtetes Empfinden für das Wahre, Schöne und Gute, das demonstrative Fehlen jeglicher Bequemlichkeiten im Gotteshaus bedingungslos verlangt. Und sollten doch irgendwelche vorhanden sein, so müssen sie wenigstens sorgfältig verborgen und mit dem Mantel der Enthaltsamkeit bedeckt werden. In den angesehensten modernen Gotteshäusern, wo keine Ausgabe gescheut wird, hat man das Prinzip der Strenge und das Gebot der Entbehrung so weit getrieben, daß die Einrichtung der Kirche geradezu als Mittel dient, um das Fleisch zu kasteien, besonders dem Schein nach. Es gibt nur wenige in Fragen des religiösen Konsums empfindsame Menschen, denen diese enthaltsam verschwenderische Unbequemlichkeit nicht an sich richtig und gut erscheint. Der religiöse Konsum ist seinem Wesen nach stellvertretender Konsum. Die Vorschrift der frommen Entbehrung beruht auf dem finanziellen Prestige des demonstrativen und verschwenderischen Konsums, der von dem Grundsatz unterstützt wird, wonach der stellvertretende Konsum unter keinen Umständen zur Bequemlichkeit des stellvertretenden Verbrauchers beitragen darf.

Enthaltsamkeit und Strenge beherrschen all jene Kulthandlungen, die nicht von der Vorstellung ausgehen, daß der betreffende Heilige oder die betreffende Gottheit selbst im Heiligtum anwesend seien, um sich der aufgestapelten Reichtümer persönlich zu bedienen und dadurch allfällige, ihnen zugeschriebene luxuriöse Neigungen zu befriedigen. Einen etwas anderen Charakter weisen die heiligen Geräte hingegen bei jenen Kulthandlungen auf, in denen die angeblichen Lebensgewohnheiten der Gottheit denjenigen eines diesseitigen patriarchalischen Machthabers gleichen, das heißt, wo man sich vorstellt, daß sich die Gottheit persönlich der betreffenden Konsumgüter bedient. In diesem Falle nehmen das Gotteshaus und seine Einrichtung das Aussehen von Gütern an, die persönlich für den demonstrativen Konsum eines weltlichen Herrn bestimmt zu sein scheinen. Wo aber die Kultgegenstände nur im Dienste der Gottheit verwendet, das heißt wo sie in ihrem Namen stellvertretend von ihren Dienern konsumiert werden, dort tragen sie den Charakter von Gütern, die nur für den stellvertretenden Konsum bestimmt sind.

Im letzteren Fall sind Gotteshaus und Kultgegenstände so beschaffen, daß sie die Bequemlichkeit und Lebensfülle des stellvertretenden Verbrauchers nicht erhöhen; auf jeden Fall dürfen sie unter keinen Umständen diesen Eindruck erwecken. Denn das Ziel des stellvertretenden Konsums besteht ja nicht darin, den Lebensgenuß des jeweiligen Konsumenten, sondern das finanzielle Prestige des Herrn zu erhöhen, in dessen Namen der Verbrauch stattfindet. Deshalb sind Priesterkleider in diesem Fall bekanntlich teuer, kostbar und unbequem, wogegen sie bei einem Kult, der den Priester nicht als Begleiter und Gefolgsmann der Gottheit begreift, schmucklos und unbequem sind, was jedermann als richtig empfindet. - Thorstein Veblen, Theorie der feinen Leute.  Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen. München 1971 (zuerst 1899)

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Verbrauch