- Herman Melville,
Typee. Ein Blick in das polynesische Leben... München 1979 (zuerst 1846)
Konservierung (2) Das Erdreich, auf dem das Kapuzinerkloster gebaut ist, besitzt die merkwürdige Eigenschaft, die Verwesung des toten Fleisches so zu beschleunigen, daß nach einem Jahr nur noch etwas vertrocknete Haut an den Knochen klebt. Manchmal sind noch Reste der Behaarung erhalten.
Man stellt also die Särge in kleine, seitliche Mauernischen, die jeweils
acht Dahingegangene aufnehmen können. Nach einem Jahr wird der Sarg geöffnet
und die Mumie herausgenommen — eine gräßlich aussehende, bärtige, verkrampfte
Mumie, die schmerzverzerrt zu heulen scheint. Sodann hängt
man sie in einer der Hauptgalerien auf, und
die Familie kommt sie von Zeit zu Zeit besuchen. Die Leute, die auf diese
Weise durch Austrocknung konserviert werden wollten, haben das vor ihrem
Ableben so bestimmt, und so werden sie in alle Ewigkeit hier aufgereiht
hängen bleiben unter diesen düsteren Gewölben — wie museale Objekte, die
man zur Schau stellt —, solange die Verwandtschaft ihren Jahresbeitrag
leistet. Sobald die Familie zu zahlen aufhört, wird der Heimgegangene ganz
einfach auf die sonst übliche Weise eingescharrt. - (err)
Konservierung
(3) Es haftet den Erscheinungen und Menschen der
absoluten Zivilisation etwas seltsam Konserviertes
an; sie erinnern an jene Mumienköpfe, die mit polierten metallischen Masken
überzogen sind. Der moderne Sport, der Vergnügungs-, Literatur-, Museums- und
Hygienebetrieb und was dahingehört, entsprechen einer arktischen Zone des Gefühls
— lappländische Arbeit, wie E. Th. A. Hoffmann
sagen würde. Wie kommt es, daß diese herrlichen Frauenkörper, trainiert, sonnengebräunt
und mit allen Mitteln der Kosmetik in Form gebracht, für den Appetit so fade
wie kalifornische Äpfel sind? Das, was ich die Walt Whitmansche Epidermalverhärtung
nenne, dieser Absturz des Puritanismus in die Naturheilkunde, ist freilich unter
das Niveau des Bösen hinabgesunken; es ist die Auszehrung der Erbsünde
durch Sterilität. Diese völlige Neutralität, diese
totale Farbenblindheit der Zivilisation, die sich unter anderem in der Verwechslung
des Verbrechens mit der Krankheit, der Werte mit den Zahlen, des Fortschrittes
mit der Erlösung offenbart, ist dennoch eine letzte Konsequenz des Bösen, wenn
dieses auch nicht mehr virulent vorhanden ist — ähnlich wie die Spirochäte im
metaluetischen Stadium. Diese moralische Kastration,
die völlige Ausschneidung des moralischen Bewußtseins bringt einen seltsamen
Zustand hervor, in dem der Mensch aus einem Diener des Bösen in eine Maschine
des Bösen verwandelt wird. Daher kommt es, daß das Individuum
einen mechanischen, das ganze Getriebe aber einen satanischen Eindruck erweckt.
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(ej)
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