onkretheit
Lukrez will das Gedicht der
Materie schreiben, aber er weist uns sofort darauf
hin, daß die wahre Realität dieser Materie aus unsichtbaren Korpuskeln besteht.
Er ist der Dichter der physischen Konkretheit, gesehen in ihrer fortdauernden
und unveränderlichen Substanz, aber er sagt uns als erster, daß die Leere genauso
konkret ist wie die Festkörper . . . Selbst während er die rigorosen Gesetze
der Mechanik aufstellt, die jedes Ereignis determinieren, verspürt er das Bedürfnis,
den Atomen unvorhersehbare Abweichungen
von der geraden Linie zu gestatten, dergestalt, daß sowohl der Materie wie dem
Menschen Freiheiten garantiert werden. Die Poesie des Unsichtbaren, die Poesie
der unendlichen unvorhersehbaren Möglichkeiten stammt also wie die Poesie des
Nichts von einem Dichter, der keine Zweifel an der Konkretheit der Welt hat.
- Italo
Calvino, nach: Hans Magnus Enzensberger, Die Elixiere der Wissenschaft.
Frankfurt am Main 2002
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