olonialwarenhandel   Ich habe früher bei dem berühmten Gibier gearbeitet, vom Hause Cavernc und Gibier, das allgemein als der Masséna oder der Cambronne des Kolonialwarenhandels gilt. Mein ganzes Leben lang werde ich mir die wirklich heroische Physiognomie und die erhabene Einfachheit jenes großen Greises in Erinnerung rufen können, wenn er uns sagte:

»Nehmt euch zu Herzen, meine Freunde, daß ich nie anderes als Scheiße verkauft habe! Und immer mit falschen Gewichten, vor allem an die Armen, die ja keine Waage zu Hause haben. Was das Wechselgeld betrifft, so kann ich selbst Zeugnis dafür ablegen, daß ich immer die falschen Münzen herauszufinden verstanden habe. Sogar beim schlimmsten Gedränge ist es mir stets gelungen, die Hosenknöpfe auszuscheiden. Aber dazu braucht man Gesundheit, eiserne Gesundheit, denn man muß stets auf der Hut sein und sich nie einen Ruhetag gönnen noch die kleinsten Gewinne geringschätzen, und wenn man auch schon fünfzig Millionen zusammengerafft hat.« - (bloy)

Kolonialwarenhandel (2)  Um 1800 begann die Zeit der »Menagerien«, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kamen die »Völkerschauen« hinzu. Erst die Tiere, dann die Menschen; beides waren rücksichtslos ausgebeutete Ressourcen, »Kolonialwaren« eben. Das bürgerliche europäische Publikum wollte den von ihm kolonisierten Rest der Welt kennenlernen und ließ ihn zu sich kommen. Die Ware war freilich leichtverderblich, die Tiere gingen oft schon nach wenigen Wochen ein, was zu einem gewaltigen Tierhandel führte. So verzeichnet der größte Importeur, Carl Hagenbeck, für die Jahre 1866 bis 1886 folgende Zahlen: »Ungefähr 700 Leoparden, etwa 1000 Löwen und 400 Tiger, ca. 1000 Bären, 800 Hyänen, 300 Elefanten, 70 Nashörner aus Indien, Java und Sumatra sowie 9 aus Afrika, 300 Kamele, 150 Giraffen, 600 Antilopen, Zehntausende von Affen, Tausende von Krokodilen, Boas und Pythons sowie weit über 100.000 Vögel.«

Nach einem geschäftlichen Einbruch durch den Mahdi-Aufstand und der folgenden Schließung des Sudans für Tierfänger begann Hagenbeck ab 1874 »Völkerschauen« zu organisieren. Auch hier kam die Ware aus aller Welt, aus der Arktis und aus Afrika, aus Ceylon und der Südsee. Und auch hier war die Ware leichtverderblich. Viele der unter Vorwänden angelockten oder auch einfach nur eingefangenen Teilnehmer an solchen »noch nie gesehenen anthropologisch-zoologischen Prachtgruppen« starben oft nach wenigen Wochen und sahen ihre Heimat nie wieder.  - Klaus Wagenbach, Nachwort zu: Didier Daeninckx, Reise eines Menschenfressers nach Paris. Berlin 2001 (zuerst 1998)

 

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