Kolonialgeschichte  Die Geschichte des Andrew Cheyne wurde erzählt. Nicht die ganze Lebensgeschichte, sozusagen nur einen bösen Gedanken seines Lebens. Die Frucht eines Tages:

- Er sagte zu John Davy, der mit ihm von Goreor nach den Salomon-inseln auf einem Handelsdampfer fuhr. Als sein Dolmetsch. Und der tätauiert war wie die dunkelhäutigen Eingeborenen des Archipels. Er sagte zu John Davy: »Ich muß meine Lüste befriedigen. Die schwarzen Weiber schaffen es nicht mehr mit mir. Sie sind jung oder alt, eng oder weit, hübsch oder häßlich. Und ihre Zahl ist Betrug. Die Zahl ist ein Berg. Aber man kann den Berg nur an einer Stelle begatten.« Das Schiff nahm Sandelholz über. Die Seefahrer schichteten es. Und wo es gestapelt war gleich einer Mauer, machte er sich zu schaffen. Und er dachte, daß man hinter der Mauer ein Etwas verbergen könnte. Daß jede Mauer an ihrem hinteren Teil sozusagen eine Überraschung bedeutet für den, der die Mauer nicht kennt, sie nicht erbaut hat. Nicht ohne Belehrung liegt aller Unrat hinter einsam stehenden Mauern. Und der Schiffsherr sagte zu Davy: »Da ist eine Mauer aus Sandelholz. Diese Mauer soll nicht zwecklos sein. Da soll ein Unrat hinter dieser Mauer sein.« Er stieg auf Deck. Er spie einen braunen Saft in das klare Meerwasser. Er sagte zu den Männern in den Kanus ein Gewisses. Davy mußte es den braunen Menschen übersetzen. Er redete von der Feindschaft der Sandelholzträger zu den Bewohnern der Insel Tetem, die man fern liegen sah. Er sagte sehr beleidigend, sie wäre' nur ein Riff, nur a'Ikrel, etwas Verächtliches. Und die Angeredeten sagten: »Ja, ja.« Er wolle eine große Tat vollbringen lassen, sagte der Schiffsherr. Er ließ die meisten der Kanufahrer anbord kommen. Bewaffnet. Mit Beilen, mit Speeren. Mit Messern. Sie mußten unter Deck hinter die Sandelholzmauer treten. Daß sie verborgen wären. Der Dampfer planschte davon. Gegen die feindliche Insel. Er ließ Dampf in den Rüssel seiner Schornsteinpfeife. Er lockte Kanus vom Strande herbei. Sie umtanzten das Schiff. Cheyne spie wieder braunen Saft ins klare Meer. Er ließ hier durch Davy sagen, daß er zu handeln wünsche.

Die Männer möchten anbord kommen. Unbewaffnet, Und sie kamen anbord des Schiffes. Sie kamen unter Deck an die Sandelholzmauer, die sie nicht erbaut hatten. Ihre Feinde brachen hervor. Und speerten sie. Oder spalteten sie auf mit Beilen. Es war eine neue Art Lust, dies anzusehen, die Cheyne sich verschafft hatte. Nun wollten die Sieger das frische Fleisch der Niedergemetzelten verspeisen, Cheyne hatte nichts dagegen. Aber die Besatzung des Schiffes revoltierte. So wurden die Leichen über Bord geworfen. Wie sie sich befanden. Blutend. Das Meer wurde ein bißchen rot. Und ein wenig unappetitlich. Es fühlte es selbst, es trug einen Ausschlag und sandte aus der Tiefe Tiere herauf, daß sie die Leichname fräßen. -

Nachdem die Anwesenden diesen Fall der Kolonialgeschichte dem jungen Gott vorgetragen, war ihnen sehr nüchtern zumut. Vollkommen kühl. Höchst eigenartig unentschieden. Sie wußten in der Tat nicht, ob der Vorgang den hohen Jüngling interessieren konnte. Andrew Cheyne war ein Schwein gewesen. Und ein dunkelhäutiger Feind hatte den anderen, da er ihn schwach fand, umgebracht. Und mit dem Engländer selber war zu einer späten Zeit abgerechnet worden. Vor sein Haus gelockt und mit einem Beile niedergeschlagen. Und da er nicht tot durch den Streich, wurde sein Körper stückweis mit einem großen Fliesenstein zermalmt. Und ins Meer versenkt.   - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main 1966 (zuerst 1929)

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