ollekte
Er erzählte ihnen, er sei Seeräuber gewesen
- dreißig Jahre lang — draußen im Indischen Ozean, und seine Mannschaft sei
im letzten Frühjahr bei einem Gefecht stark gelichtet worden, und da sei er
nun nach Hause gekommen, um ein paar neue Leute anzuwerben; Gott sei Dank aber
sei er vergangene Nacht ausgeplündert und ohne einen Cent von einem Dampfboot
an Land gesetzt worden; er sei froh darüber, es sei das größte Glück, das ihm
je widerfahren sei, weil er nun ein neuer Mensch wäre und zum erstenmal in seinem
Leben glücklich; und arm, wie er sei, wolle er gleich aufbrechen und sich wieder
zum Indischen Ozean durchschlagen und den Rest seines Lebens dazu verwenden,
die Piraten auf den rechten Weg zu bringen; denn er tauge besser dazu als irgend
jemand sonst, weil er alle Seeräuberbanden dieses Ozeans kenne; und wenn es
ihn auch viel Zeit kosten würde, ohne Geld dorthin zu gelangen, er würde es
schon irgendwie schaffen, und jedesmal, wenn er einen Piraten bekehre, würde
er zu ihm sagen: »Danke nicht mir, nicht mir die Ehre, alles gebührt den guten
Leuten von der Versammlung in Pokeville, wahren Brüdern und Wohltätern des Menschengeschlechts
- und dem lieben Prediger dort, dem aufrichtigsten Freunde, den ein Seeräuber
je zur Seite hatte!«
Und damit brach er in Tränen aus und alle andern mit ihm. Plötzlich rief
einer: »Macht eine Sammlung für ihn, macht eine Sammlung!« Na, ein halbes Dutzend
sprang auf, um es zu tun, aber jemand rief: »Laßt ihn den Hut selber rumreichen!«
Dann sagten's alle, auch der Prediger.
So ging der König mit dem Hut durch die Menge, wischte
sich die Augen und segnete die Leute und pries sie und dankte ihnen, daß sie
so gut zu den armen Piraten in der Ferne waren; und alle paar Augenblicke sprang
ein hübsches kleines Mädchen auf, dem die Tränen über die Backen liefen, und
fragte ihn, ob es ihm einen Kuß geben dürfe, zur Erinnerung; und immer erlaubte
er's; ja manche umarmte und küßte er nicht weniger als fünf- oder sechsmal -
und er wurde eingeladen, eine Woche zu bleiben; und alle wollten, daß er bei
ihnen wohnte, und meinten, es wäre eine Ehre für sie; aber er sagte, da dies
der letzte Tag der Versammlung sei, könne er hier doch nicht mehr Gutes tun,
und außerdem brenne er darauf, sogleich in den Indischen Ozean zu gehen und
seine Arbeit bei den Piraten zu beginnen.
Als wir zum Floß zurückkamen und er seine Barschaft überzählte, stellte sich
heraus, daß er siebenundachtzig Dollar und fünfundsiebzig Cent gesammelt hatte.
Und dann hatte er noch einen Dreigallonenkrug mit Whisky beiseite gebracht,
den er unter einem Wagen gefunden hatte, als wir durch den Wald zurückgingen.
Der König sagte, im ganzen genommen, stelle das alle andren Tage in den Schatten,
die er je dem Missionsfach gewidmet habe. Er sagte,
es sei gar keine Frage: wenn's drauf ankäme, eine Missionsversammlung auszubeuteln,
dann seien Heiden gar nichts im Vergleich mit Piraten. - Mark Twain, Huckleberry
Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)
Kollekte (2) Er verkleidete sich zusammen mit einem
Schüler in eines Priesters Gestalt und nahm einen Totenkopf und ließ ihn in
Silber fassen. Er kam in das Land Pommern, wo sich die Priester mehr an das
Saufen halten als an das Predigen. Und wo dann in einem Dorfe Kirchweih oder
Hochzeit oder eine andere Versammlung der Landleute war, da machte sich Eulenspiegel
an den Pfarrer heran: er wolle predigen und den Bauern das Heil der Reliquie
verkünden, auf daß sie sich damit berühren ließen. Von den frommen Gaben, die
er bekäme, wolle er ihm die Hälfte abgeben. Die ungelehrten Pfaffen waren wohl
damit zufrieden, wenn sie nur Geld bekamen. Und wenn das allermeiste Volk in
der Kirche war, stieg Eulenspiegel auf den Predigtstuhl und sagte etwas von
dem Alten Testament und zog das Neue Testament auch heran mit der Arche1 und
dem goldenen Eimer, darin das Himmelsbrot lag2, und sprach dazu, daß es das
größte Heiligtum sei. Zwischendurch sprach er von dem Haupte des Sankt Brandanus,
der ein heiliger Mann gewesen sei. Dessen Haupt habe er da, und ihm sei befohlen
worden, damit zu sammeln, um eine neue Kirche zu bauen. Und das dürfe nur mit
reinem Gut geschehen. Bei seinem Leben dürfe er kein Opfergeld nehmen von einer
Frau, die e'ne Ehebrecherin sei. »Und wenn solche Frauen hier sind, so sollen
sie stehen bleiben. Denn wenn sie mir etwas opfern wollen und des Ehebruchs
schuldig sind, so nehme ich das nicht, und sie werden vor mir beschämt stehen.
Danach wisset euch zu richten!« Und er gab den Leuten das Haupt zu küssen, das
viel-'eicht eines Schmiedes Haupt gewesen war, das er von einem Kirchhof genommen
hatte. Dann gab er den Bau ern und Bäuerinnen den Segen, ging von der Kanzel
und stellte sich vor den Altar. Und der Pfarrer fing an zu singen und mit einer
Schelle zu klingeln. Da gingen die bösen mit den guten Weibern zum Altar mit
ihren frommen Gaben; sie drängten sich zum Altar, so daß sie keuchten. Und die
Frauen mit üblem Leumund, an dem auch etwas Wahres war, die wollten die ersten
sein mit ihrem Opfer. Da nahm er die Opfergaben von Bösen und von Guten und
verschmähte nichts. Und so fest glaubten die einfältigen Frauen an seine listige,
schalkhaftige Sache, daß sie meinten: eine Frau, die stehengeblieben wäre, wäre
nicht ehrsam gewesen. Diejenigen Frauen, die kein Geld hatten, opferten einen
goldenen oder silbernen Ring. Jede achtete auf die andere, ob sie auch opferte.
Und die geopfert hatten, meinten, sie hätten damit ihre Ehre bestätigt und ihren
bösen Ruf hinweggenommen.
Auch gab es einige, die zwei- oder dreimal opferten, damit das Volk es sehen
und sie aus ihrem schlechten Leumund entlassen sollte. Und
Eulenspiegel bekam die schönsten Opfergaben, wie es nie zuvor
gehört worden war. Wenn er das Opfer genommen hatte, gebot er unter Androhung
des Kirchenbannes allen, die geopfert hatten, keinen Frevel mehr zu begehen,
denn sie wären jetzt ganz rein davon. Wären etliche von ihnen schuldig gewesen,
hätte er kein Opfer von ihnen entgegengenommen. So wurden die Frauen allenthalben
froh. Und wo Eulenspiegel hinkam, da predigte er und wurde dadurch reich. Die
Leute hielten ihn für einen frommen Prediger. -
(
eul
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