okotte
 

An die Kokotte Ludwig

Dein Bein hängt über mir wie ein Sichelmond
ganz klar: Deine Brüste atmen zwei junge Tiere
hinter den besten Brüsseler Spitzen
hé garçon: Café ou lait - den matin bitte und ein Glas Wasser
Im Grunde bist du wie deine Schwestern die mit wippendem Bauch
längs den Kloaken schleichen ängstlich horchend
auf den Pfiff der Sitte und der fleischfressenden Zuhälter
Der Viehhändler dem du die Hosen stahlst und das Portemonnaie
aus Alligatorenleder hat mich genau Ober deine Seele unterrichtet
hé - altes Schwein: nun bist du 50 Jahre aber noch
träumen die Gymnasiasten stark von dir
Sie träumen: du kämest leise mit dem geschmeidigen Rohrstock
einheizend ihnen hinten was ihr Herze begehrt
he ihr Lustgreise und Mädchenhändler ihr Zigeuner und Hoteldiebe
betet betet wenn es euch Spaß macht
Oder sauft euch an den Häusern hoch schlagt den Rinnstein auf
laßt die Feuerwehr donnern jagt die Flüsse aus ihrem Schlaf
altes Gesindel eine Flasche im Arm nahe ich euch irres Gespenst
Bist du es wieder köstliche Sau hat der Chirurg schon
erspäht deinen Bauch Enterhaken bereit Fackel und Jodoform
Dada! Dada! nichts lebt außer dir sanfte Geliebte

 - Richard Huelsenbeck, Phantastische Gebete. Zürich 1960 (zuerst 1916)

Kokotte (2)   Die Menschen kamen von nah und fern, bloß um die grandes cocottes des Maxim's zu sehen, mit ihren Federn und Juwelen und rauschenden Ballkleidern, zu den Klängen einer Streichkapelle Champagner schlürfend und den betörenden Duft von Flieder, Patchouli und Moschus verströmend.

Da war Carolina Otero, La Belle Otero, die sich derart üppig mit den Juwelengeschenken ihrer Verehrer behängte, daß von gehässigen Leuten verbreitet wurde, sie müsse zu ihrem Tisch geführt werden.

Da waren Alice Gaillard und Manon Loty und Nine Desforets. Da war Liane de Pougy, die sich zwei arabische Diener hielt und zur rumänischen Prinzessin Ghika avancierte. Da war Gaby Deslys, die Geliebte von König Manuel von Portugal. Da waren Emilienne d'Alençon und Jeanne und Anne de Lancy und Cleo de Merode - sie alle hatten einen großen Namen. Gelegentlich konnte man sogar einen flüchtigen Blick auf die elegante Lily Langtry werfen, wenn sie verschleiert aus ihrer geschlossenen Kutsche stieg und hinauf in ein Separee in der ersten Etage eilte, einem Rendezvous mit einem späteren König von England entgegen.

Unter den Damen herrschte erbitterte Konkurrenz, und Fehden waren etwas Alltägliches. Daß La Belle Otero ständig mit ihren. Juwelen protzte, hat Emilienne d'Alençon einmal so gereizt, daß sie eines Abends bei ihrer Ankunft keinen Schmuck trug, sich ihre Schmuckschatulle aber auf einem Samtkissen hinterhertragen ließ. Alles klatschte über diesen köstlichen Witz. Otero schäumte, aber die Zeit sollte ihr Genugtuung bringen. La Belle konnte sich später in ihre eigene Villa in Nizza zurückziehen und ein luxuriöses Leben führen, während Emilienne d'Alençon einen mittellosen Jockey heiratete und in Vergessenheit sank. - (beg)

Kokotte (3)
 
 

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