An die Kokotte Ludwig Dein Bein hängt über mir wie ein Sichelmond |
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Richard Huelsenbeck, Phantastische Gebete. Zürich 1960 (zuerst 1916)
Kokotte (2) Die Menschen kamen von nah und fern, bloß um die grandes cocottes des Maxim's zu sehen, mit ihren Federn und Juwelen und rauschenden Ballkleidern, zu den Klängen einer Streichkapelle Champagner schlürfend und den betörenden Duft von Flieder, Patchouli und Moschus verströmend.
Da war Carolina Otero, La Belle Otero, die sich derart üppig mit den Juwelengeschenken ihrer Verehrer behängte, daß von gehässigen Leuten verbreitet wurde, sie müsse zu ihrem Tisch geführt werden.
Da waren Alice Gaillard und Manon Loty und Nine Desforets. Da war Liane de Pougy, die sich zwei arabische Diener hielt und zur rumänischen Prinzessin Ghika avancierte. Da war Gaby Deslys, die Geliebte von König Manuel von Portugal. Da waren Emilienne d'Alençon und Jeanne und Anne de Lancy und Cleo de Merode - sie alle hatten einen großen Namen. Gelegentlich konnte man sogar einen flüchtigen Blick auf die elegante Lily Langtry werfen, wenn sie verschleiert aus ihrer geschlossenen Kutsche stieg und hinauf in ein Separee in der ersten Etage eilte, einem Rendezvous mit einem späteren König von England entgegen.
Unter den Damen herrschte erbitterte Konkurrenz, und Fehden waren etwas Alltägliches.
Daß La Belle Otero ständig mit ihren. Juwelen protzte, hat Emilienne d'Alençon
einmal so gereizt, daß sie eines Abends bei ihrer Ankunft keinen Schmuck trug,
sich ihre Schmuckschatulle aber auf einem Samtkissen hinterhertragen ließ. Alles
klatschte über diesen köstlichen Witz. Otero schäumte, aber die Zeit sollte
ihr Genugtuung bringen. La Belle konnte sich später in ihre eigene Villa in
Nizza zurückziehen und ein luxuriöses Leben führen, während Emilienne d'Alençon
einen mittellosen Jockey heiratete und in Vergessenheit sank. - (
beg
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Kokotte (3)
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