Königstochter Sie entkleidete sich. Wollte dabei, weil das offenbar zur sechsten Aufgabe gehörte, sachlich erscheinen. Aber ihre Hände mußten öfter zweimal greifen nach einem Knopf, der sich von ihrer Bewegung nicht ergreifen lassen wollte. Ohne Kleider sah sie aus wie ein konserviertes Mädchen.

Vielleicht doch bloß 3536 Jahre alt. Und heizsonnenbraun. Und porzellanglatt. Sie schlüpfte gleich unter. Und war doch hergerichtet, um angeschaut zu werden. Ganz nach ihrer Optik-Theorie. Kein Haar am ganzen Leib. Die Furche exponiert. Und die Brüste, zwischen denen ein Ei leicht Platz hätte, warum scheinen die so? Ach, lackiert, sowas gibt's also. Die Warzenhöfe rot geschminkt, die Mammis selber in dunklerem Rot. Mhm. Sehen aus wie zwei düstere kleine Clowns, die bis zum Hals im Blute stecken. Und das Finger-Zehennägelrot ist mit dem Brustrot penibel vereinbart. Ist das ein Indian Lay Out? Vorerst wollte sie das alles zugedeckt haben. Und falls die Königstochter mit ihrer Verbergsamkeit die sechste Aufgabe stellte, ob nämlich der Reisende jetzt ein wenig den Kopf verlieren könne, dann hatte Anselm bestanden. Aber was eine rechte Königstochter ist, die stellt die Aufgabe immer so, wie nicht zu erwarten ist. Die Aufgabe lautete nämlich: Kann der Herr trotzdem den Kopf nicht verlieren?   - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main 1966

Königstochter (2) P. führt uns zu Olga de Alaketu, der Diva unter den Mães de Santo. Sie wird bemüht, wenn Botschafter den Candomblé kennenlernen wollen oder Jean Paul Sartre mit Simone de Beauvoir Bahia besucht.

- Sie ist eine Königstochter. Man weiss, dass hohe Würdenträger der Ketu als Sklaven hier Land erworben haben. Sie spricht wenig von der Religion. Sie redet im wesentlichen davon, dass man in Rio mehr Geld mit dem Candomblé verdienen kann als in Bahia.

Sie ist zu P. eher unterwürfig. Leonore wird von ihr geschnitten. Sie hat irgendein heiliges Geschäft mit P. und beide tuscheln weihevoll miteinander.

Ihr Sohn, hübsch, sexy, arrogant, 19, hat schon einen Bauch. P. sagt:

- Es ist ein afrikanischer Prinz.

Wir begleiten P. zu dem windschiefen Candomblé von Vincente. Vincente gibt vor, Ewe zu sprechen. Er feiert einmal im Jahr einen Festzyklus für Ogum, den Kriegsgott, den Gott des Eisens, der Metallarbeiter und der Taxifahrer. Vincente zeigt uns Ogums Altar.

Alles strahlend weiss. Stockfische, Widderköpfe, ein Hundekopf. Das Fotografieren ist verboten:

- Der Heilige isst.   - (xan)

 

König Tochter Märchen

 

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Prinzessin
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