önigsmörder Als König Karl II. im Mai 1660 aus dem Exil nach Engelland zurückkehrte, wurde er von dem, des streng puritanischen Regimentes müden Volk mit Begeisterung empfangen; zumal da er bereits am 4. April, in der › Deklaration von Breda ‹, eine allgemeine Amnestie vor sich her gesandt hatte : Alles sollte vergeben & vergessen sein, »ausgenommen solche Personen, die das Parlament ausdrücklich davon ausschließen sollte«.
Und der Fall lag von vornherein unangenehm klar; mit der bekannten › unnachsichtigen Rache ‹ zu verfolgen waren die - wie der flink geprägte Name lautete - » regicides «, die › Königsmörder ‹ ; das heißt die 84 Richter des am 30. 1. 1649 enthaupteten ersten Karl. Das gefügige Parlament stufte sie, gemäß der Schärfe der zuerkannten Strafe, in 6 Klassen ein :
1. Die 4 Verhaßtesten, obschon lange tot, wurden wegen › Hochverrates ‹ verurteilt; folglich zerrte man ihre Leichen, unter ihnen Oliver Cromwell selbst, aus den Gräbern, schleifte sie nach Tyburn, hing sie dort an den Galgen ; nahm sie am Abend herunter & enthauptete sie ; und die › Cavaliers ‹ jauchzten im Takt.
2. Von 20 anderen, gleichfalls bereits Verstorbenen, wurden wenigstens die Güter eingezogen.
3. 50 noch lebenden Königsmördern wurde › auf ewig ‹ - ein Wort, mit dem ›Obrigkeiten‹ aller Art immer sehr flink bei der Hand sind - Begnadigung versagt.
4. Weiteren 19 desgleichen; jedoch mit der Einschränkung, daß ihre Hinrichtung erst auf speziellen Parlamentsbeschluß erfolgen solle.
5. 6 weitere sollten ebenfalls einer Strafe verfallen sein; aber nicht der des Todes.'
6. Die restlichen 4 oder 5 wurden für unfähig zur Bekleidung von öffentlichen Ämtern erklärt; 2 davon schließlich sogar gänzlich begnadigt.
Damit war die Angelegenheit › juristisch erledigt ‹.
Praktisch allerdings noch nicht gänzlich - wie M. Noble in seinem › LIVES OF THE ENGLISH REGICIDES ‹ (obwohl 1798 erschienen, immer noch eine gute Gesamtübersicht) zu berichten weiß, dachten die eisenseitig-rundköpfigen › General-Majors ‹ Cromwells nicht daran, sich lämmleingleich dekapitieren zu lassen. 19 oder 20 entkamen ins Ausland; hinter Jedwedem her sogleich ›sein‹ halbes Dutzend Mann vom ›Geheimdienst ‹. 5 entdeckte man, zu verschiedenen Zeiten, in Holland ; entführte sie nach London, und tat ihnen, was sie ihrerzeit Charles verordnet hatten ; 1 ermordete man in Lausanne ; der letzte Überlebende von ihnen dürfte Edmund Ludlow gewesen sein, der 1692, in Vevey am Genfer See, starb.
Und 5 waren eben auch nach Neu-England entkommen; wo die Nachfahren der Pilgrim
Fathers ( die Mehrheit ja alles heimliche Cromwellianer ! ) das lustig-erneuerte
Königtum mit recht kritischen Blicken betrachteten. Am glücklichsten war John
Dixwell ( man vergleiche Ezra Stiles, › HISTORY OF THREE OF THE JUDGES OF
CHARLES I. ‹) : unter fremdem Namen lebte, heiratete und starb er 1689, unerkannt,
inmitten der Einwohner New Havens, im Alter von 81 Jahren. - Arno Schmidt, Nachwort
zu: James Fenimore Cooper, Conanchet oder die Beweinte von Wish-Ton-Wish. Frankfurt
am Main 1972 (dt. zuerst 1962, zuerst 1829)
Königsmörder (2) Als der Dichter
den schrecklichen Königsmord, Trauerspiel Macbeth
genannt, als Faktum der Schöpfung in seiner Seele wälzte - bist du, mein lieber
Leser, so blöde gewesen, nun in keiner Szene Szene und Ort mitzufühlen - wehe
Shakespeare, dem verwelkten Blatte in deiner Hand.
So hast du nichts von der Eröffnung durch die Zauberinnen
auf der Heide unter Blitz und Donner! nichts nun vom blutigen Manne mit Macbeths
Taten zur Botschaft des Königs an ihn, nichts wider die Szene zu brechen und
den prophetischen Zaubergeist zu eröffnen und die vorige Botschaft nun mit diesem
Gruße in seinem Haupt zu mischen - gefühlt! Nicht sein Weib mit jener Abschrift
des Schicksalsbriefes in ihrem Schlosse wandern sehen, die hernach wie grauerlich
anders wandern wird! Nicht mit dem stillen Könige noch zu guter Letzt die Abendluft
so sanft gewittert, rings um das Haus, wo zwar die Schwalbe so sicher nistet,
aber du, o König - das ist im unsichtbaren Werk! - dich deiner Mördergrube näherst.
Das Haus in unruhiger, gastlicher Zubereitung und Macbeth in Zubereitung zürn
Morde! Die bereitende Nachtszene Bankos mit Fackel und Schwert! Der Dolch,
der schauerliche Dolch der Vision! Glocke — kaum ist's geschehen und das Pochen
an der Tür! — Die Entdeckung, Versammlung - man trabe
alle Örter und Zeiten durch, wo das zu der Absicht, in der Schöpfung, anders
als da und so geschehen könnte. Die Mordszene Bankos im Walde; das Nachtgastmahl
und Bankos Geist - nun wieder die Hexenheide (denn seine erschreckliche Schicksalstat
ist zu Ende!). Nun Zauberhöhle, Beschwörung, Prophezeiung,
Wut und Verzweiflung! Der
Tod der Kinder Macdufs unter den Flügeln ihrer einsamen Mutter! und jene zween
Vertriebne unter dem Baum, und nun die grauerliche Nachtwanderin im Schlosse
und die wunderbare Erfüllung der Prophezeiung — der heranziehende
Wald - Macbeths Tod durch das Schwert eines Ungebornen
- ich müßte alle, alle Szenen ausschreiben, um das idealisierte Lokal des unnennbaren
Ganzen, der Schicksals-, Königsmords- und Zauberwelt zu nennen, die als Seele
das Stück bis auf den kleinsten Umstand von Zeit, Ort, selbst scheinbarer Zwischenverwirrung
belebt, alles in der Seele zu einem schauderhaften, unzertrennlichen Ganzen
zu machen - und doch würde ich mit allem nichts sagen. - Johann Gottfried
Herder
, Shakespeare
(1773)
Königsmörder (3) Heute
beschloß das Parlament, daß die Leichen von Oliver
Cromwell, Ireton, Bradshaw usw. aus ihren Gräbern aus der Abtei geholt und zum
Galgen geschleift und dort aufgehängt und darunter
begraben werden sollen: es betrübt mich, daß einem Mann von so großer Tapferkeit,
wie er war, diese Schande angetan wird, obwohl er sie sonst vielleicht wohl
verdient hätte. - (
pep
)
Königsmörder (4) Der
1846 in Frankreich, wegen versuchten Königsmordes, hingerichtete Lecomte
war, bei seinem Proceß, hauptsächlich darüber verdrießlich, daß er nicht
in anständiger Kleidung vor der Pairskammer erscheinen konnte, und selbst bei
seiner Hinrichtung war es ihm ein Hauptverdruß, daß man ihm nicht erlaubt hatte,
sich vorher zu rasiren. - (
schop
)
Königsmörder (5) In rascher Folge waren Könige in Gallien emporgekommen und wieder
untergegangen. Die strenge Tugendhaftigkeit eines Posthumus diente lediglich
dazu, seinen Untergang zu beschleunigen: Nach der Unterdrückung eines Mitbewerbers,
der den Purpur zu Mainz angenommen hatte, verweigerte er seinen Truppen die
Plünderung dieser empörerischen Stadt; und so wurde er im siebenten Jahr seiner
Herrschaft das Opfer ihrer frustrierten Habsucht. Der Tod des Victorinus hatte
weniger achtbare Ursachen. Das exzellenten Fähigkeiten dieses Herrschers wurden
überdunkelt von einem ungezwungenem Geschlechtstrieb, den er bis an die Grenze
zur Gewalttätigkeit auslebte, die bürgerlichen Gesetze oder wenigstens die der
Liebe ungescheut missachtend. Er wurde zu Köln von einer Rotte gehörnter Ehemänner
totgeschlagen, deren Rachetat sich ehrsamer ausgenommen hätte, wenn sie seinen
unschuldigen Sohn geschont hätten. - Edward Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reiches. Nördlingen
1987 (Die Andere Bibliothek 29, zuerst 1776 bis 1788)
Königsmörder (6) Das Urteil ward pünktlich exekutiert. In einem Karren ward Ravaülac vor die Notre Dame gebracht zur Busserklärung, von da nach dem Greve-platz. Der Zug langte hier gegen 4 Uhr an; aber nur mit der grössten Mühe gelang es, den Verdammten bis zum Schafott zu bringen, so gross war die Menschenmasse auf diesem Platze und in den angrenzenden Strassen.
Nach dem Herkommen hatte er eigentlich auf einer Schleife dahin gezogen werden müssen, aber man durfte es nicht wagen. Das wutkochende Volk hätte sich auf ihn gestürzt und ihn zerrissen.
Anderen Nachrichten zufolge wäre Ravaillac, als er die Wut des Volkes gegen seine Person gewahrte, erstaunt gewesen. Er hatte nicht geglaubt, dass sie mit solcher Liebe an dem Ketzerkönige hingen. Das erinnert an das Attentat eines anderen Königsmörders (Tschech), wo derselbe auch verwundert die Teilnahmebezeigungen des Volkes anstaunte.
Die Prinzen des Hauses Guise sahen aus den Fenstern des Stadthauses dem Schauspiel zu. Ausser den benötigten Truppen hatten sich noch mehrere Hundert Edelleute zu Pferde freiwillig eingefunden, um das Schafott zu umstellen.
Auch die beiden Beichtväter des Verurteilten hielten zu Pferde am Schafott und unterliessen keine Überredungskünste, um Ravaillac zur Nennung seiner Mitschuldigen zu veranlassen. Später stiegen sie selbst aufs Gerüst.
Trotz der unerhörten Leiden schien Ravaülac ruhig und gefasst. Als er auf der Plattform des Schafotts angekommen, verrichtete er ein kurzes Gebet und übergab sich seinen Henkern.
Diese legten ihn auf den Rücken und banden ihm den Leib zwischen zwei kleinen Pfosten; die Füsse und die Hände wurden schon jetzt an vier Pferde befestigt.
Einer der Priester intonierte das Salve Regina! Aber er ward augenblicklich vom Volke unterbrochen. Von allen Seiten erhob sich ein Geschrei: „Kein Gebet für einen Verdammten! . . . Zur Hölle mit dem Judas!"
Die Zangen glühten schon rot auf einem Feuerbecken. Der Henker ergriff sie und zwickte damit den Stöhnenden an allen im Urteil bezeichneten Teilen seines Leibes. Darauf ward seine rechte Hand, in die man das Mordmesser presste, über das Feuer gehalten und langsam bis zur Handwurzel abgebrannt. Und in dem Maasse, als die Fleischteile sich verzehrten und die Knochen sich calcinierten, goss der Henker aus kleinen Hörnern immer neuen Schwefel auf das Feuer.
Erst als die Hand und ihre Wurzel vollkommen verzehrt waren, goss er in die Wunde, welche die Zangen gerissen, kochendes Öl, siedendes Pech und zusammengeschmolzenes Wachs und Schwefel.
Während dieser langen und grässlichen Marter ward Ravaillac Zug um Zug auch noch mit der Ermahnung geplagt, seine Mischuldigen zu nennen.
Die Hoffnung, welche die Humanität schöpft, dass er von so vielen Qualen besinnungslos dagelegen haben müsse, fällt dahin. Die Protokolle sagen: er habe mit derselben Ruhe und Fassung fortwährend auf die Frage nach seinen Mitschuldigen geantwortet, dass er keine habe!
Wenn er nun unter den unerträglichen Schmerzen, aus Verzweiflungswut, seine Henker genannt, die Präsidenten des Gerichts, die Guise, die Königin Maria, oder gar den tugendhaften Minister Sully! Wäre das Parlament, ein Gericht betört, wahnsinnig genug gewesen, darauf eine Untersuchung einzuleiten? — Oder kannten die, die ihn peinigen Hessen, den Stumpfsinn des Fanatikers so genau, dass sie im voraus wussten, auch die haarsträubendste Qual könne diesem Halbmenschen, Halbtier die Lippen nicht öffnen?
Jetzt peitschte man die Pferde an. Sei es, dass man schlecht gewählt, oder dass die Zähigkeit seines Leibes so stark war als die seiner Seele, sie konnten ihn nicht zerreissen. Man peitschte und peitschte, und eine Stunde ging vergeblich hin.
Und auch jetzt noch — es ist entsetzlich, die Feder sträubt sich, es niederzuschreiben — hatte Ravaillac sein Bewusstsein noch nicht verloren. Der halb Zerrissene und Verbrannte empfahl laut seine Seele Gott.
Da sprang einer der Edelleute, die aus Ehrensache Wache hielten, als er gewahrte, dass eines der Pferde seine Kraft völlig erschöpft und trotz der furchtbarsten Peitschenhiebe nicht mehr ziehen wollte, von seinem ROSS, schirrte das ermattete Pferd los und spannte seines an. Er selbst trieb.
Auch dieser heroische Patriotismus half nicht. Der Henker musste endlich zu einem Hackemesser greifen, um den Körper völlig auseinander zu trennen.
Jetzt flogen die Pferde auseinander mit ihrer blutigen Beute. Aber das Volk
liess sie ihnen nicht. Auch die Stücke noch riss es in Stücke und verschleppte
die grässlichen Trophäen triumphierend in verschiedene Stadtteile. Aber man
liess sie ihnen nicht. Nach wenigen Stunden waren sie wieder eingesammelt und
bald darauf zu Asche verbrannt. - (hel)
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