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- Loriot, Zwei
große Deutsche, nach: Das Tintenfaß 4. Zürich
1981
Knollennasenmann (2) Heute waren die obersten Ingenieure bei uns unten. Es ist irgendein Auftrag der Direktion ergangen, neue Stollen zu legen, und da kamen die Ingenieure, um die allerersten Ausmessungen vorzunehmen. Wie jung diese Leute sind und dabei schon so verschiedenartig! Sie haben sich alle frei entwickelt, und ungebunden zeigt sich ihr klar bestimmtes Wesen schon in jungen Jahren. Einer, schwarzhaarig, lebhaft, läßt seine Augen überallhin laufen. Ein Zweiter mit einem Notizblock, macht im Gehen Aufzeichnungen, sieht umher, vergleicht, notiert.
Ein Dritter, die Hände in den Rocktaschen, so daß sich alles an ihm spannt, geht aufrecht; wahrt die Würde; nur im fortwährenden Beißen seiner Lippen zeigt sich die ungeduldige, nicht zu unterdrückende Jugend.
Ein Vierter gibt dem Dritten Erklärungen, die dieser nicht verlangt; kleiner als er, wie ein Versucher neben ihm herlaufend, scheint er, en Zeigefinger immer in der Luft, eine Litanei über alles, was hier zu sehen ist, ihm vorzutragen.
Ein Fünfter, vielleicht der oberste im Rang, duldet keine Begleitung;
ist bald vorn, bald hinten; die Gesellschaft richtet ihren Schritt nach
ihm; er ist bleich und schwach; die Verantwortung hat seine Augen ausgehöhlt;
oft drückt er im Nachdenken die Hand an die Stirn. Der Sechste und Siebente
gehen ein wenig gebückt, Kopf nah an Kopf, Arm in Arm, in vertrautem Gespräch;
wäre hier nicht offenbar unser Kohlenbergwerk und unser Arbeitsplatz im tiefsten
Stollen, könnte man glauben, diese knochigen, bartlosen, knollennasigen
Herren seien junge Geistliche. Der eine lacht meistens
mit katzenartigem Schnurren in sich hinein; der
andere, gleichfalls lächelnd, führt das Wort und gibt mit der freien Hand irgendeinen
Takt dazu. Wie sicher müssen diese zwei Herren ihrer Stellung sein, ja welche
Verdienste müssen sie sich trotz ihrer Jugend um unser Bergwerk schon erworben
haben, daß sie hier, bei einer so wichtigen Begehung, unter den Augen ihres
Chefs, nur mit eigenen oder wenigstens mit solchen Angelegenheiten, die nicht
mit der augenblicklichen Aufgabe zusammenhängen, so unbeirrbar sich beschäftigen
dürfen. Oder sollte es möglich sein, daß sie, trotz allen Lachens und aller
Unaufmerksamkeit, das, was nötig ist, sehr wohl bemerken? Man wagt über solche
Herren kaum ein bestimmtes Urteil abzugeben. - (
kaf
)
Knollennasenmann (3)
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