nabengrab
Es regnet, es regnet. Ich ersticke. Ich bin tot. Der Mann mit
der Hacke bekommt das Fünf-Mark-Stück aus meinem Sparschwein und die Groschen
dazu für Zigaretten. Er muss ein Knabengrab schaufeln, ein kleines, gemütliches.
Dann wachsen die Wurzeln der Bäume wie ein Gitter über mich. Selbst der Doktor
bekommt den Leinensack nicht mehr von meinem Kopf. Du musst die Backen aufblasen,
ruft er, aber ich habe keine Kraft mehr in den Lungen. Er hört uns nicht, sagt
der Doktor zu meinem Vater, dabei höre ich ihn ganz genau. Also operieren, es
hilft nichts. Äther tropft durch den Leinensack, läuft über meine Stirn und
rinnt mir schließlich in den Nacken. Ich schneide jetzt, sagt der Doktor. Vorsichtig,
bitte!, ruft meine Mutter. Ich bin immer noch wach. Das Messer, obwohl klein,
ist schärfer als die Hacke von dem Mann auf dem Friedhof. Obwohl es dunkel im
Leinensack ist, kneife ich die Augen zu. Es hilft nichts: Der Kopf geht .mit
ab. Meiner Mutter steigen Tränen in die Augen. Heimlich lässt sie die mitgebrachte
Bananenschnitte mit Schoko-guss in einen kleinen Eimer unter dem Waschbecken
fallen, in dem alte Pflaster und Binden liegen. Der Mann mit der Spitzhacke
bekommt mitgeteilt, dass wir jetzt zwei Gräber benötigen, ein Kopfgrab und eins
für den Leib. Das war früher nichts Außergewöhnliches, sagt er und putzt seine
Nase am Jackenärmel ab. An der Tagesordnung. Gang und gäbe. Es regnet immer
noch, und das Kopfgrab füllt sich weiter mit Wasser. Das Wasser kommt nicht
nur von oben, es dringt auch von allen Seiten aus dem Erdreich. Die Hände haben
sie mir ordentlich gefaltet. Der Leinensack aber saugt sich mit Regenwasser
voll, bis sich mein Gesicht durchdrückt. Weil meine Mutter mein Lächeln nicht
ertragen kann, schiebt der Mann mit der Spitzhacke den Sack mit dem Hackenstiel
nach unten ins Wasser. Ich sehe bis nach oben zum Zehnmeterbrett und weiter
in den blauen Sommerhimmel.
- (raf)
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