Kloschüssel

 

- N.N.

Kloschüssel (2)   Diese ausgezackte Öffnung sollte eigentlich zu etwas Tiefem und Sicherem führen. Er erinnert sich (oder ist es ein Reflex?) an ähnliche Dunkelheit, in die er vor einem Irish-Setter flüchtet, der nach Kohlenrauch riecht und mit dem ersten Blick angreifen wird ... ein anderes Mal vor einem Rudel Kinder, kürzlich vor einem jähen Schlag aus Lärm und Licht, einem Ziegelregen, der ihn an der linken Flanke erwischt hat (noch nicht verheilt, muß noch geleckt werden). Doch die Gefahr von heute nacht ist etwas Neues: nicht offene Gewalt, sondern planvolle Arglist, etwas, an das er nicht gewöhnt ist. Das Leben hier draußen ist doch viel direkter. Es nieselt. Der Wind regt sich kaum. Er bringt einen Geruch mit, der ihm seltsam vorkommt, ist er doch in seinem ganzen Leben noch nie in die Nähe eines Laboratoriums gekommen.

Der Geruch ist Äther, er entspringt einem Mr. Edward W. A. Pointsman, F.R.C.S. Als der Hund hinter den geborstenen Überresten einer Mauer verschwindet, gerade als seine Schwanzspitze davonwedelt, tritt der Doktor in den weißen, lauernden Schlund einer Kloschüssel, die er, in seiner Beutegier, ganz übersehen hat. Angewidert bückt er sich und zerrt die Schüssel aus ihrem Schutthaufen heraus, wobei er leise Flüche wider alle Unachtsamen ausstößt und damit nicht sich selber meint, sondern die Eigentümer dieser zerbombten Wohnung (falls noch am Leben) oder eben denjenigen, der die Kloschüssel hier im Stich gelassen hat - welche offensichtlich ganz schön fest zu sitzen scheint...

Mr. Pointsman schleift sein Bein hinüber zu einem zertrümmerten Stiegenaufgang, schwingt es leise, um den Hund nicht zu verscheuchen, gegen die untere Hälfte eines dunklen Eichenpfostens, der das Treppengeländer abschließt. Die Schüssel gibt nur einen hohlen Ton von sich, das Holz zittert. Das Zeug lacht ihn aus, na schön. Er setzt sich auf die Treppenstufen, die hinauf in den offenen Himmel führen, und versucht, das verdammte Porzellanding von seinem Fuß herunterzustreifen. Nichts zu machen. Er hört den unsichtbaren Hund auf leisen Krallen das rettende Asyl des Kellers ansteuern. Nicht einmal hineinfassen kann er in die Kloschüssel, um wenigstens diesen beschissenen Stiefel aufzuschnüren ...  - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Kloschüssel (3)   Wenn Slothrop tatsächlich dieser Mundharmonka in die Toilette folgen will, so muß er es mit dem Kopf voran tun, kein schöner Gedanke, weil dann oben sein Arsch schutzlos in die Luft ragt, was bei all diesen Negern hier in der Gegend genau das ist, was er vermeiden möchte, sein Gesicht da unten in unbekannter, übelriechender Finsternis, während oben starke braune Finger mit geübten Griffen blitzschnell seinen Gürtel lösen, seinen Hosenschlitz aufknöpfen, kräftige Hände seine Beine spreizen - und schon fühlt er die kalte Lysolluft auf seinen Arschbak-ken, als ihm auch noch die mit farbenfrohen Barschködern und Forellenfliegen bestickten Boxershorts abgezogen werden. Ver­zweifelt kämpft er sich tiefer in das Toilettenloch hinein, da hört er schon undeutlich durch das stinkende Wasser hindurch das Gegröle einer ganzen finsteren Meute von gräßlichen Negern, die ausgelassen johlend ins Weißemännerklo stürmen, mit ihren übli­chen Jitterbug-Verrenkungen um den hilflos zappelnden Slothrop herumzutanzen beginnen und dazu «gib mir mal das Talkum, Malcolm» singen. Und die Stimme, die darauf antwortet, gehört keinem anderen als Red, dem Schuhputzboy, der Slothrops schwarze Lackschuhe schon so oft auf Hochglanz gewienert hat, rhythmisch auf den Knien rutschend, ich wichs-die-Schuh, zum Swing-der-Band, yeah ... Also Red, dieser dürre, aufgeschosse­ne Negerschuhputzer mit den kunstvoll glattgebeizten roten Haaren, der für die Harvardboys immer nur einfach «Red» war-«Sag mal, Red, sind noch 'n paar Pariser in der Lade?» «Wie war's zur Abwechslung mal mit 'ner besseren Telephonnummer, Red?» -, dieser Negerjunge, dessen wahren Namen Slothrop, schon halb im Abflußrohr, nun endlich kennenlernt, während ein feister Finger einen äußerst glitschigen Batzen Salbe oder Gelee durch die Spalte zu seinem Arschloch schmiert, wobei die Haare wie gewellte Höhenlinien auf der Karte eines Flußtals an die Böschung geklatscht werden - der also in Wirklichkeit Malcolm heißt und den die ganzen schwarzen Schwänze unter diesem Namen kennen und immer schon gekannt haben -, Red Malcolm, der Unglaubliche Nihilist, sagt: «Donnerwetter, der Typ besteht wohl ganz aus Arschloch, was?» Grüne Neune, Slothrop, in welche Lage bist du da geraten! Obwohl er mittlerweile immerhin so tief ins Klo hineingekrochen ist, daß nur noch seine Beine herausragen und seine Arschbacken sich knapp unter der Wasseroberfläche heben und senken wie zwei bleiche Kuppeln aus Eis. Wasser brandet, kalt wie der Regen draußen, gegen die Wände der weißen Muschel. «Packt ihn, bevor er türmt!» «Yowzah!» Ferne Hände grapschen nach seinen Waden usid Knöcheln, schnappen sich seine Sockenhalter und zerren an den Söckchen aus Argylewolle, die ihm Mami eigens für Harvard gestrickt hat. Aber diese Socken isolieren ihn entweder so gut, oder er ist schon so tief in die Toilette eingedrungen, daß er die Hände kaum mehr spürt... - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981
 
 

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