lettern  Auf dem Boden sind die armseligen Baumsklaven fremd. Ihr Gang ist ein so mühseliges Fortschleppen des Leibes, daß er immer das Mitleid des Beschauers wachruft. Das zeigte sich so recht bei einem Unau und einem Aï des Berliner Aquariums, die bei ihrer Ankunft im Bureau der Anstalt gewogen wurden. Der Aï wog etwas über 6, der Unau über 10 Pfund. Während des Wiegens setzte man den Unau auf den Parkettboden des Bureaus. Es war ein kläglich-komischer Anblick. Das Tier lag platt auf dem Bauche und streckte alle viere von sich, wie eine tote Padde (Frosch, Kröte). Mit jammervoll stupidem Ausdrucke sah es sich nach irgendeinem Gegenstand um, der ihm Gelegenheit böte, daran emporzuklettern. Die Wage fiel ihm zunächst in das Auge. Faul rutschten die Arme da- und dorthin, um nach einem Anhalte für die Krallen zu suchen. Endlich war er gefunden: eine kleine Ritze in der Bedielung genügte dazu, den Krallen Halt zu gewähren. Sie setzten sich ein, der lang ausgestreckte Arm zog an, und der Körper rutschte auf dem Bauche nach. Noch einmal wiederholte sich das Manöver, und die Krallen vermochten die Wage zu fassen, an welcher der Unau emporkletterte und sich an dem Hebel fest krallte. Wäre er nicht in seinen Käfig zurückgetragen worden, er selbst hätte sich nicht von der Stelle gerührt. - Aus Brehms Tierleben, 1912, in (str)

Klettern (2)  Die Nacht war völlig hereingebrochen. Lange tastete ich vergeblich mit der linken Hand an dem Überhang herum, bis ich endlich, nachdem mir schon die Füße zu zittern begannen, für das vordere Glied des linken Mittelfingers einen Halt fand. In dieser verkrampften Haltung gab es kein Besinnen. Zurück konnte ich nicht mehr, also rauf, es wird sich für die Rechte schon etwas finden. Unter kräftiger Mitarbeit der beiden Füße zog ich mich hoch, mit der Rechten hastig nach einem Griff suchend. Ich hatte Glück! Ich fand nicht bloß so ein problematisches Griffchen,wie sie mir bisher dienten, sondern einen richtigen Henkelgriff. Mit der Linken schnell zufassend,ein kräftiger Ruck, wobei der Karabiner heftig gegen den Hinterkopf schlug - der Oberhang war bezwungen! Das Seil spannt, die 2o m, die mich mit den Gefährten verbinden, waren abgelaufen. Nun erst merke ich, daß wir mit unseren Rucksäcken - der Beyschlags hatte an die 5o Pfund - hier nicht weiter können, keinesfalls in dieser stockfinsteren Nacht. Drohend schwarz wuchtete, was ich sah, über mir. Schwer wird der Entschluß zur Umkehr. Wir haben nicht Hammer und Haken, nirgends finden die suchenden Hände einen geeigneten Halt, an der ich mich abseilen könnte. Also wieder hinunterklettern - den Überhang,den ich mit Aufbietung aller Energie und Kraft soeben bezwungen hatte! - Nach: Uwe Nettelbeck, Der Dolomitenkrieg. In: U. N., Mainz wie es singt und lacht Die Ballonfahrer Briefe Mainz bleibt Mainz Gespenstergeschichten Der Dolomitenkrieg Nachträge Frankfurt am Main 1976 (entst. 1969-1976)

Klettern (3)

 - Fritz Lang, Western Union. Aus: F. L. - Leben und Werk. Bilder und Dokumente. Hg. Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen und Cornelius Schnauber u. a. Berlin 2001 (Filmmuseum Berlin -  Deutsche Kinemathek)

Klettern (4)

Vom Klettern in Bäumen

1

Wenn ihr aus eurem Wasser steigt am Abend -
Denn ihr müßt nackt sein und die Haut muß weich sein -
Dann steigt auch noch auf eure großen Bäume
Bei leichtem Wind. Auch soll der Himmel bleich sein.
Sucht große Bäume, die am Abend schwarz
Und langsam ihre Wipfel wiegen, aus!
Und wartet auf die Nacht in ihrem Laub
Und um die Stirne Mahr und Fledermaus!

2

Die kleinen harten Blätter im Gesträuche
Zerkerben euch den Rücken, den ihr fest
Durchs Astwerk stemmen müßt; so klettert ihr
Ein wenig ächzend höher ins Geäst.
Es ist ganz schön, sich wiegen auf dem Baum!
Doch sollt ihr euch nicht wiegen mit den Knien!
Ihr sollt dem Baum so wie sein Wipfel sein:
Seit hundert Jahren abends: Er wiegt ihn.

- Bertolt Brechts Hauspostille. Frankfurt am Main 1963 (BS 4, zuerst 1927)

Klettern (5)  Sie beschloss, auf einen Baum zu klettern, um sich umsehen zu können. Als sie die atemberaubend hohen Äste erklommen hatte, bot sich ihr tatsächlich ein weiter Ausblick. Unter ihr erstreckte sich kilometerweit Wald, und dazwischen ragte ein riesiges Schloss auf. Es erhob sich mit seinen Türmen noch über die mächtigsten Bäume hinaus, und es hatte den Anschein, als hätte man es auf einem Berg errichtet. Jemima blickte lange umher, bis sie ganz plötzlich eine kleine Hand neben der ihrigen bemerkte. Sie erschrak furchtbar und wagte nicht, sich zu rühren. Da lachte jemand unmittelbar hinter ihr, und sie wusste, dass dieses Lachen von derselben Person stammte, zu der auch die Hand gehörte. Zitternd drehte sie sich langsam um: Vor ihr stand ein kleiner Junge oder ein kleines Mädchen — unmöglich zu sagen, welchen Geschlechts dieses bleiche, schmächtige, aber sehr ausgelassene Wesen war. >Sie muss verrückt sein, so wie sie mich ansieht^ dachte Jemima, und die Angst schnürte ihr die Kehle zu.

»Das Schloss gehört meinem Papa«, sagte die Heine. »Ich bin Mimoo, sein lieber kleiner Junge, und ich erlaube dir, das Schloss meines Papas anzusehen.«

»Was, du bist ein Junge?«, entfuhr es Jemima, die ein wenig zurückzuweichen versuchte, denn dem Körper des Kleinen entströmte ein ebenso unangenehmer wie merkwürdiger Geruch, der sie vor Angst und Ekel erzittern ließ.

»Wie du willst, denn ich sehe, dass du nicht sehr gescheit bist. Aber das macht nichts. Gesellschaft und Klugheit gleichzeitig, das wäre ja auch zu viel verlangt. Wie alt bist du?«

»Dreizehn. Und du?«

Der kleine Junge brach in ein schallendes Lachen aus, das aber rasch in einem heftigen Hustenanfall unterging.

»Dreizehn?«, rief er schließlich. »Dreizehn? Dann bist du ja eine Riesin! Deswegen bist du so dumm, es ist ja bekannt, dass Riesinnen alle sehr dumm sind ... Ich werde heute zwanzig. Du darfst mir einen Kuss geben ...»

»Ich hab keine Lust.« - (wind)

Klettern (6)

- Félicien Rops

Klettern (7)  Der Ehrgeiz treibt die Menschen oft, die niedrigsten Geschäfte auszuführen: so vollzieht sich das Klettern in derselben Haltung wie das Kriechen. - Jonathan Swift, nach (swi1)

Klettern (8)  Endlich beschloß ich, diesen Turm zu ersteigen, mochte ich auch abstürzen; denn es würde besser sein, den Himmel zu sehen und unterzugehen, als weiterzuleben, ohne jemals das Tageslicht erblickt zu haben.

In dem dumpfigen Dämmerlicht stieg ich die ausgetretenen uralten Steintreppen hinauf, bis sie aufhörten, und von da an klammerte ich mich halsbrecherisch an jeden kleinen Vorsprung, der mich ein Stück weiter hinauf brachte. Gespenstisch und grauenvoll war dieser tote, treppenlose Zylinder aus Fels; schwarz, verfallen, verlassen und unheimlich wimmelnd von aufgeschreckten Fledermäusen, deren Schwingen kein Geräusch verursachten. Doch gespenstischer und grauenvoller noch war die Langsamkeit meines Aufstieges; denn so viel ich auch klettern mochte, die Dunkelheit über mir lichtete sich nicht, und ein neuer eisiger Hauch wahrhafter Grabesluft faßte mich an. Ich schauderte, während ich mich fragte, warum ich das Licht nicht erreichte, und ich hätte nach unten geschaut, wenn ich den Mut dazu aufgebracht hätte. Ich bildete mir ein, daß die Nacht mich plötzlich überrascht habe, und tastete vergebens mit einer freien Hand nach der Leibung eines Fensters, durch das ich hinaus und nach oben hätte schauen können, um zu ermessen, welche Höhe ich erreicht hatte.

Ganz plötzlich, nach einer Ewigkeit angstvollen, blinden Kletterns über diesen jähen, schrecklichen Abgrund fühlte ich, wie ich mit dem Kopf gegen ein festes Hindernis stieß.   - H. P. Lovecraft, Der Außenseiter. In: H. P. L., Das Ding auf der Schwelle. Frankfurt am Main 1976 (st 357)

Faultier Steigen
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Synonyme