leinhandel
Die Schelle, die vermittels eines Stahlbügels über der Tür befestigt
war, konnte man so leicht nicht überlisten. Sie war hoffnungslos geborsten,
doch ertönte sie beim geringsten Anlaß des Abends im Rücken der Kundschaft unverschämt
und bösartig. Sie schepperte; und auf dieses Signal hin pflegte Herr Verloc
das hinter dem Laden gelegene Wohnzimmer zu verlassen, eilig durch die verstaubte
Glastür zu treten und hinter dem gestrichenen, hölzernen Ladentisch zu erscheinen.
Ihm war ein schläfriger Gesichtsausdruck angeboren; er wirkte immer so, als
habe er sich den ganzen Tag vollständig angekleidet auf einem ungemachten Bett
gesuhlt. Einem anderen Menschen hätte solches Aussehen
zum Nachteil gereichen müssen, denn im Kleinhandel hängt viel vom freundlichen
und gewinnenden Auftreten des Verkäufers ab. Herr Verloc kannte sein Geschäft
indessen genau und ließ sich durch keinerlei ästhetische Bedenken im Hinblick
auf seine äußere Erscheinung aus der Ruhe bringen. Mit festem, unverschämtem
Bück, der eine abscheuliche Drohung zu verbergen schien,
pflegte er daran zu gehen, einen Gegenstand über den Ladentisch hinweg zu verkaufen,
der empörenderweise ganz offensichtlich das Geld nicht wert war, das bei dieser
Gelegenheit den Besitzer wechselte: zum Beispiel eine kleine Pappschachtel,
dem Anscheine nach gänzlich leer, oder einen jener dünnen, gelben Umschläge,
oder ein abgegriffenes, broschiertes Buch mit vielversprechendem Titel. Gelegentlich
geschah es auch, daß eine der vergilbten Tänzerinnen an einen Liebhaber verkauft
wurde, ganz als sei sie jung und lebendig. - Joseph Conrad, Der Geheimagent. Frankfurt am Main 1972 (zuerst
1907)
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