Kleine-Mädchen-Schreck    Er hatte sich über die Erschöpfung hinaus verausgabt und trieb durch schlaflose, uhrlose Iterationen, in irgendeinem Hotel in Flughafennähe, wo ziellose, aus dem Zeitrhythmus geworfene Männer in zerknitterten Anzügen die Korridore bevölkerten und das Brüllen im Himmel nie verstummte. Er weinte, er schlug sich mit Fäusten auf Kopf und Körper, bemühte das ganze traditionelle Repertoire und kam sich vor wie ein Skifahrer auf einer unvertrauten Extrempiste; Er war den Gesetzen der Schwerkraft unterworfen, er hatte es im Griff, nicht im Griff... Die Abfahrt dauerte die ganze Nacht, bis er schließlich in Bewußtlosigkeit versank. In der Maschine nach Washington warf das kleine Mädchen, neben das er sich setzte, nur einen Blick auf sein Gesicht und fing an zu schreien: «Mama, der will mich anfassen! Wir werden alle sterben!» Vond krächzte irgendwas von «Bundesanwalt» und fummelte nach seinem Dienstausweis, doch einige Passagiere dachten, er wolle eine Waffe ziehen, und schrien und bekreuzigten sich. Das Flugzeug hatte sich noch keinen Meter bewegt. Zu deprimiert, um zu glauben, er habe noch irgend etwas zu verlieren, zwang er stur Stewardessen und Kapitän, das kleine Mädchen und seine Mutter aus der Maschine zu weisen. «Rotznasiges Gör», zischte er, als das Mädchen zitternd aufstand und sich, mit der Rückseite der Oberschenkel seine Knie streifend, an ihm vorbeischob.   - Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015
 

Mädchen, kleines Schreck

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