Kleinanzeige    Eine Kleinanzeige, in der eine junge Frau mit guten Englischkenntnissen gesucht wurde, um Archäologen zu begleiten,  machte mir klar, dass Sie mich besser kannten, als ich glaubte. Von da an ist mein Leben ein langer Albtraum geworden: Ich fühlte mich von allerWelt beobachtet und überwacht, ständig, überall, ich fing an, alle Welt zu verdächtigen, die Kellner, die das Wort an mich richteten, die Kassiererinnen, die mir das Kleingeld herausgaben, die Kunden einer Metzgerei, die mich herunterputzten, weil ich nicht wartete, bis ich an der Reihe war, die Passanten, die mich anrempeften; ich wurde von Taxifahrern, von Polizeibeamten, von Pseudo-Clochards, die unter Parkbänken lagen, von Maronihändlern, Losverkäufern, Zeitungsjungen verfolgt, gehetzt, überwacht. Eines Abends, als ich mit den Nerven völlig herunter war, schlug ich in einem Wartesaal des Bahnhofi von Brive auf einen Mann ein, der mich musterte. Ich wurde verhaßet, aufs Polizeirevier gebracht und verdankte es nur einem halben Wunder, dass ich nicht auf der Stelle in eine Nervenheilanstalt gesteckt wurde: Ein junges Ehepaar, das der Szene beigewohnt hatte, machte mir das Angebot, sich meiner anzunehmen; Sie wohnten in den Cevennen, in einem verlassenen Dorf, dessen eingestürzte Häuser sie wieder aufbauten. Ich lebte dort fast zwei Jahre lang. Wir waren ganz allein, drei Menschen, etwa zwanzig Ziegen und Hühner. Wir hatten weder Zeitungen noch Radio. Mit der Zeit verflog meine Furcht. Ich redete mir ein, dass Sie es aufgegeben hätten oder gestorben seien. Im Juni 1957 kam ich zurück, um wieder unter Menschen zu leben. Kurz darauf lernte ich François kennen. Als er mich bat, ihn zu heiraten, erzählte ich ihm meine ganze Geschichte, und es fiel ihm nicht schwer, mich davon zu überzeugen, dass ich mir diese unaufhörliche Überwachung und Beobachtung nur wegen meines Schuldgefühls eingebildet hatte. Allmählich schöpfe ich wieder Vertrauen, so dass ich es schließlich wagte, fast ohne Vorsichtsmaßregeln auf dem Bürgermeisteramt die für unsere Hochzeit erforderliche Geburtsurkunde anzufordern. Ich nehme an, dass es einer jener Fehler war, auf die Sie, in Ihrer Ecke kauernd, seit Jahren schon warteten.   - (per)
 

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