leidung  Sie trägt ihren enganliegenden Turban aus grauem Stoff mit seinen schrägstehenden Perlennadeln, zwei Perlen in den Ohren und viele an den Fingern, ist umhüllt von einem tadellosen blauen Schneiderkostüm, einem männlichen, makellosen Seidenhemd, klappert mit ihren Armbändern aus Bernstein, Schildpatt und Elfenbein, rollt die Wildlederhandschuhe zurück und steckt die Finger hinein, beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf den Tisch und sagt ohne Zögern:

»Wenn Sie verliebt sind, dann kleiden Sie sich mit Leidenschaft

Die Augen glühen; der ganze Körper findet mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung seine entspannteste Stellung wieder. »Wissen Sie, was Liebe bedeutet? Nein? Dann wissen Sie auch nicht, was das bedeutet, sich mit Leidenschaft zu kleiden. Ah, Sie wissen es? Dann brauche ich nichts zu sagen.«

Ich sagte: »Doch, das werden Sie müssen. Viele, viele Frauen sind, wenn sie verliebt sind, zu sehr von ihren Gefühlen überwältigt, zu sehr davon gefangengenommen, um zu wissen, was sie tun sollen.«

Sie schüttelte den Kopf, zog mit ihrem Federhalter einen säuberlichen Schnitt durch das Löschblatt, riß einen Umschlag mitten durch und warf das Ganze in den Kamin, den Federhalter inbegriffen.

»Niemals, niemals, niemals! Keine in der ganzen Welt, ob alt oder jung, reich oder arm, gutaussehend oder häßlich, hat jemals das Nahen Cupidos verspürt, ohne diesem Gott eine Opfergabe darzubringen, und sei es auch nur eine Handvoll Bänder oder eine Rose. Wenn Sie jedoch vom Raffinement, von der Vollkommenheit dieser Opfergabe sprechen, wenn Sie das Äußerste an Einsatzbereitschaft meinen, das diesem Leiden aufhilft, dann ja, da können die Frauen vieles lernen. Der Liebe wird niemals in ausreichendem Maße gehuldigt, ehe die Person, die sich im Zustand dieser Seligkeit befindet, wie soll ich sagen - für die Rolle angezogen ist. Die Liebe ist eine Rolle, die wir alle bisweilen zu spielen aufgerufen sind. Weshalb wird dann aber so stümperhaft mit der äußeren Aufmachung der Liebe umgegangen, widmet man sich dieser Aufmachung auf eine so amateurhafte Weise, weist ihre Zusammensetzung soviele Mängel auf? Ich werde Ihnen sagen, weshalb, weil die Frauen, und die Männer ebenso, nicht begreifen können, daß das Sichverlieben ein Zustand, verliebt zu bleiben aber eine Kunst ist.

Nehmen wir die zügellose Liebesbereitschaft, wie sie von Salome vorgeführt wird. Sie wußte, daß die Enthüllung des Körpers das träumende Begehren tötet. Sie war verschleiert. Nehmen wir die herrliche Thaïs; eine rothaarige Frau, so sagt man von ihr, die von hundert Männern geliebt wird. Tja, entgegen der alteingeführten Regel habe ich mich, als ich sie dargestellt habe, rot gekleidet. Die rothaarige Frau sieht niemals so glutvoll, niemals so mitgenommen aus von ihrer Liebesglut, wie wenn sie in irgendeinem Rotton gekleidet ist. Dann wirkt sie wie ein brennender Scheit, den man der Feuersbrunst entrissen hat. Ihre Person ist ein einziges glühendes Ganzes.  - Mary Garden, nach (barn)

Kleidung (2)  Die einfache, nicht weiter verfeinerte demonstrative Verschwendung ist soweit zwar ganz wirkungsvoll und befriedigend, denn sie stellt einen vorzüglichen unmittelbaren Beweis des finanziellen Erfolgs und somit des gesellschaftlichen Wertes dar. Doch birgt die Kleidung viel subtilere und weitreichendere Möglichkeiten in sich. Wenn nämlich der Träger nicht nur zeigen kann, daß er in der Lage ist, frei und unwirtschaftlich zu konsumieren, sondern auch, daß er (oder sie) es nicht nötig hat, sich sein Leben zu verdienen, so erhöht dies seinen gesellschaftlichen Wert ganz beträchtlich. Um diesen Zweck angemessen zu erfüllen, sollten unsere Kleider nicht nur teuer sein, sondern auch allen Beobachtern von vornherein klarmachen, daß wir nicht produktiv zu arbeiten brauchen. Im Verlauf der langen Zeit, in der sich unsere Kleidung in bewundernswert vollkommenem Maße entwickelt und ihrem Zweck angepaßt hat, ist auch dem genannten Aspekt die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden. Eine eingehende Untersuchung jener Kleider, die in der öffentlichen Meinung als elegant gelten, wird uns zeigen, daß sie alle nur deshalb erfunden wurden, um den Eindruck zu erwecken, daß sich ihre Träger für gewöhnlich keiner einzigen nützlichen Anstrengung hingeben. Natürlich kann man kein Kleidungsstück als elegant oder auch nur als anständig bezeichnen, wenn es die Spuren manueller Arbeit aufweist, das heißt, wenn es dreckig oder abgetragen ist. Die gefällige Wirkung untadeliger Kleider ist hauptsächlich, wenn nicht vollständig, dem Umstand zuzuschreiben, daß sie die Vorstellung eines müßigen Lebens wachrufen, also auf die Befreiung vom persönlichen Kontakt mit irgendwelcher handwerklicher oder gewerblicher Arbeit hinweisen. Viel von der Anziehungskraft, die Lackschuhe, blütenweißes Leinen, ein glänzender Zylinder oder ein Spazierstock - die Symbole des geborenen Gentleman - ausüben, ist dem deutlichen Hinweis zu verdanken, daß die so ausgestattete Person unmöglich einer Beschäftigung nachgehen kann, die irgendeinen unmittelbaren Nutzen bringt. Elegante Kleider erfüllen ihren Zweck also nicht nur insofern, als sie teuer, sondern auch insofern, als sie Merkmale der Muße sind. Sie beweisen, daß ihr Träger in der Lage ist, relativ große Werte zu konsumieren, und auch, daß er konsumiert, ohne zu produzieren. - Thorstein Veblen, Theorie der feinen Leute.  Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen. München 1971 (zuerst 1899)

Kleidung (3) Die Scherpe des Kindes ist das zusammengefaltete und festgebundne Segel, das der Jüngling aufspannt - wo es zum flatternden Mantel wird - der auch heraufgebunden seyn kann, wie in der Abbildung der Fortuna. Die Haare trägt das Kind lang und schlicht, weil es noch keinen Feind fürchtet - der Jüngling lockig - daß desto mehr Blumen darinn hängen bleiben können - der Mann kurz, daß er nicht gepackt werden kann - der Greis wieder schlicht, wie das Kind - denn er ist heilig, wie das Kind - die ganz offne Brust des Knaben und die leichtverhüllte des Jünglings - bedürfen keiner Erklärung - Einfachheit und Leichtigkeit Helligkeit und Bequemlichkeit ist der Caracter des Kinderanzugs - Leichtigkeit und Mannichfaltigkeit und Geschicklichkeit statt der Bequemlichkeit - der der Jünglingskleidung. Zweckmäßigkeit der Karacter der männlichen Kleidung - Bequemlichkeit, Einfachheit und Dunkelheit der des Greises.

Helle Blumen dem Kinde - Zweige dem Jüngling - dem Manne der Stab - und dunkle Blumen dem Greise. Schuhe das Kind - Schuhe der Greis - Halbstiefeln der Jüngling - Stiefel der Mann -

Das Kind und der Greis Mützen - Jüngling und Mann keine gewöhnlichen Kopfbedeckungen. Ungewöhnliche - das Kind ein Kranz - und der Greis - der Jüngling - eine Zierliche - der Mann eine Zweckmäßige.

Nur Jünglinge tragen Bärte zur Zierde.  - (bro)

Kleidung (4)  Durch die stärkere Bekleidung hat der Mensch eine gewisse unreine und ekelhafte Beschaffenheit angenommen, welche die andern Thiere, wenigstens in ihrem Naturzustande, nicht haben, und der er durch beständige, besondere Reinlichkeit entgegenarbeiten muß, um nicht widerwärtig zu seyn; daher solches auch nur der wohlhabenderen, bequemer lebenden Klasse, der deshalb im Italiänischen treffend benannten gente pulita [sauberen Leute], zusteht. Eine andere Folge der stärkeren Bekleidung ist, daß, während alle Thiere, in ihrer natürlichen Gestalt, Bedeckung und Farbe einhergehend, einen naturgemäßen, erfreulichen und ästhetischen Anblick gewähren, der Mensch, in seiner mannigfaltigen, oft sehr wunderlichen und abenteuerlichen, zudem auch oft ärmlichen und lumpigen Bekleidung, unter ihnen als eine Karikatur umhergeht, eine Gestalt, die nicht zum Ganzen paßt, nicht hinein gehört, indem sie nicht, wie alle übrigen, das Werk der Natur, sondern eines Schneiders ist, und somit eine impertinente Unterbrechung des harmonischen Ganzen der Welt abgiebt.

Der edele Sinn und Geschmack der Alten suchte diesen Uebelstand dadurch zu mildern, daß die Bekleidung möglichst leicht war und so gestaltet, daß sie nicht, eng anschließend, mit dem Leibe zu Eins verschmolz, sondern als ein Fremdes aufliegend gesondert blieb und die menschliche Gestalt in allen Theilen möglichst deutlich erkennen ließ. Durch den entgegengesetzten Sinn ist die Kleidung des Mittelalters und der neuen Zeit geschmacklos, barbarisch und widerwärtig.

Aber das Widerwärtigste ist die heutige Kleidung der, Damen genannten, Weiber, welche, der Geschmacklosigkeit ihrer Urgroßmütter nachgeahmt, die möglichst große Entstellung der Menschengestalt liefert, dazu noch unter dem Gepäck des Reifrocks, der ihre Breite der Höhe gleich macht und eine Anhäufung unsauberer Evaporationen [Ausdünstungen] vermuthen läßt, wodurch sie nicht nur häßlich und widerwärtig, sondern auch ekelhaft smd.  - (schop)

Hülle Schutz
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Garderobe
Verwandte Begriffe

Nacktheit

Synonyme

Antonym