leiderständer Eins
hatte ich begriffen: Diese Frauen, die hier schwanger wurden und ihre
Kinder im Leib trugen, die badeten, hielten mich für einen richtigen Diener,
für nicht mehr als einen Diener. Wenn ich auch im Frack war, schien ich doch
für sie überhaupt nicht vorhanden zu sein, so als wäre ich ihr Kleiderständer,
denn sie schämten sich nicht im geringsten vor mir. Ich war ein Bediensteter,
gleich einem Narren oder Gnomen, wie Königinnen ihn sich hielten. Wenn sie aus
dem Wasser stiegen, gaben sie acht, daß niemand ihnen durch den verschalten
Zaun zusah. Als einmal ein betrunkener SS-Mann sie überraschte, da quietschten
sie und hielten sich die Handtücher vor den Bauch, beschirmten die Brüste mit
den Armen und flüchteten in die Kabinen; brachte dagegen ich das Tablett mit
den Gläsern, so blieben sie ruhig stehen, nackt wie sie waren. Sie unterhielten
sich, stützten eine Hand auf das Geländer und trockneten sich mit der anderen
langsam den behaarten Bauch. Mit ganz lockeren, sorgfältigen Bewegungen trockneten
sie sich ausgiebig zwischen den Beinen ab und dann zwischen den Gesäßhälften,
und ich stand daneben, und sie griffen nach den Gläsern und tranken, als wäre
ich ein Abstelltisch. Ich konnte meine Augen nach Lust und Laune wandern lassen,
nichts vermochte sie aufzustören oder aus der Ruhe zu bringen, sie frottierten
sich weiterhin behutsam und sorgfältig zwischen den Beinen und hoben dann die
Hände und rieben sich sorgsam alle Falten der Brüste trocken. -
Bohumil Hrabal, Ich habe den englischen König bedient. Frankfurt am Main 1990
Kleiderständer (2)
Kleiderständer (3) Er sah einen großen bärtigen Mann in einem breitkrämpigen schwarzen Hut und einem weiten flappenden schwarzen Umhang. Sehr viel mehr sah er nicht in dieser Welt. Strake sprang ihn an und erwürgte oder erstach ihn; das werden wir sicher erst nach der Leichenschau wissen. Dann hörte Strake, der in dem engen Durchgang zwischen Kleiderständer und altem Büffet stand und im Triumph auf den letzten seiner Feinde hinabschaute, etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte. Er hörte Schritte im Wohnzimmer. Das war ich selbst, der durch die Terrassentür eintrat.
Seine Verkleidung war ein Wunder an Schnelligkeit. Sie umfaßte nicht nur
eine Maskierung, sondern auch einen Roman - einen Stegreifroman. Er nahm seinen
großen schwarzen Hut und den Umhang ab und zog sich des toten Mannes Morgenrock
an. Dann tat er etwas Grausiges; zumindest berührt es meine Einbildungskraft
als grausiger denn alles andere. Er hängte die Leiche wie einen Mantel an den
Kleiderständer. Er hüllte sie in seinen eigenen langen Umhang ein und sah, daß
der ihr weit über die Füße hinabhing; und er verdeckte den Kopf vollständig
mit seinem eigenen breiten Hut. Das war der einzige mögliche Weg, sie in jenem
kleinen Korridor mit der geschlossenen Tür zu verbergen; aber ein wirklich kluger.
Ich selbst bin einmal an diesem Kleiderständer vorbeigegangen, ohne zu merken,
daß er etwas anderes als ein Kleiderständer war. Ich glaube, daß mich diese
meine Ahnungs-losigkeit immer schaudern machen wird. -
G. K. Chesterton, Der geflügelte Dolch. In: G.K.C., Father Browns
Ungläubigkeit. Zürich 1991
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