lavierlehrerin   Lola, meine erste Klavierlehrerin. Lola Niessen. Ein lächerlicher Name, bezeichnend für das Viertel, in dem wir damals wohnten. Er klang wie ein stinkender Bückling oder eine wurmstichige Möse. Um die Wahrheit zu sagen, Lola war nicht gerade eine Schönheit. Sie sah ein wenig wie eine Kalmückin oder eine Chinook-Squaw aus; sie hatte eine schmutzige Hautfarbe und gallig blickende Augen. Sie hatte ein paar Warzen und Hautknoten, ganz zu schweigen von ihrem Schnurrbart. Was mich jedoch erregte, war ihr starker Haarwuchs; sie hatte wundervoll langes, feines schwarzes Haar, das sie in gestuften Wülsten auf ihrem Mongolenschädel anordnete. Im Nacken drehte sie es zu einem Schlangenknoten hoch. Sie kam immer ein wenig zu spät, gewissenhafte Idiotin, die sie war, und wenn sie dann kam, war ich zumeist etwas erschlafft vom Onanieren. Sobald sie jedoch auf dem Hocker neben mir saß, wurde ich, wohl infolge des durchdringenden Parfüms, mit dem sie ihre Achselhöhlen bespritzte, wieder erregt.  - (wendek)

Klavierlehrerin (2)  Ein nässendes Gäßchen offenbar am Rand des Lebens, ohne einen Laden, ohne Kindergeschrei, mit einstöckigen grauen Häusern bestanden, in denen wohl Kirchenstuhlvermieterinnen, pensionierte Priester oder Heimarbeiterinnen wohnten, ein Gäßchen der trostlosen Stille (es hat sich kaum verändert) führte mich in die eisige Gehenna, in der ich eine Stunde zu verbringen hatte. Mitten im Sommer fröstelte man darin. Es gab einen Salon in diesem Häuschen - einen winzigen, schimmeligen, gruftartigen Salon mit ständig geschlossenen Jalousien, die auf das leere Gäßchen gingen -, einen Salon und ein Klavier. Fräulein R. öffnete mir, wenn ich klingelte. Aus ihren Handschuhen ragten nur die Fingerspitzen hervor, sie legte wortlos die Partitur auf das Klavier, und ich begann meine Tonleitern. Sie saß neben mir, immer noch wortlos, von Zeit zu Zeit klopfte sie mir leicht und trocken auf die Finger und seufzte; mit zusammengepreßten Zähnen und steifen Fingern begann ich von vorn, ein kleiner und resignierter Sisyphos der Musik. Ich glaube, wir sind nie bis ans Ende des Übungsbuches gelangt. Die Stunde endete schließlich, ich ging, meine Brust lockerte sich; ich hatte kein Wort gesprochen.

Die Fräulein R. haben hier, in der Rue Barème, wohl bis zum Schluß gelebt, im Halbdunkel und der Eiseskälte, das Tuch um die Schultern geschlungen und ohne je auf etwas anderes zu warten als auf die mageren »Einkünfte« am Ende des Monats, die zu essen erlaubten - tödlich mittellos und allein, kleine schwarze, stumme Gespenster, die nach und nach lebendig erfroren, aber inmitten der geerbten Möbel der Familie, und b' zum Ende den Schein gesellschaftlichen Ranges bewahrten: si blieben Fräulein und lebten von einer Arbeit, die einer Darnp würdig war. All das, letztlich dem Julien Green von Adrienne Mesurat näher als Balzac, dieses langsame Versinken, diese Steife und diese Grabeskälte, die nach und nach, lange vor dem Tod, ein Paar ruinierter alter Jungfern in der kleinen Gasse einer Unterpräfekturstadt erstarren ließ, bekam ich vermutlich nur sehr dunkel mit. Und dennoch gelangte etwas davon bis zu mir, und zwar nicht über die zusammengepreßten Lippen, die sich nie öffneten, sondern über den trockenen Klaps auf die Finger, der mir in Erinnerung geblieben ist: ein verklemmtes, verschlossenes, eisiges Ressentiment gegen die unerklärliche Ungerechtigkeit, das Klavier, die Kälte, das Halbdunkel, die nasse Gasse, den Tod, der vor dem Tod da war. Die Musikfolter dauerte sechs Jahre. - (grac2)

 

Lehrerin Klavier Klavierunterricht

 

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