- Ernst Jünger, Strahlungen (1. Mai 1944)
Klassiker (2) Die Klassiker lassen von den christlichen Grunddogmen (objektive göttliche Wahrheit, Dreifaltigkeit, Gottheit Christi; Versöhnung der Welt mit Gott durch sein Leiden und Blut; Weltende und jüngstes Gericht; Sünde, Seligkeit oder Verdammnis) kaum eines gelten.
Dauernd fehlt die zur Einheit und Freiheit drängende Mystik; die Linie des Humanismus wird nicht überschritten. Ihre Religion bleibt innerhalb der Grenzen einer Humanität im antiken, nicht im christlichen Sinne. Die Gegenstände und sehr widersprechende Gedanken werden poetisiert. Auch das Heidentum findet begeisterten Ausdruck.
Sie schließen das humanistische Zeitalter in wenig originaler Weise ab. Wären sie Propheten eines Künftigen gewesen, so hätten sie energische Widersacher eines Gegenwärtigen sein müssen (was keineswegs der Fall war).
Ihre Humanität hatte noch nicht so schwere Proben zu bestehen, wie sie uns
heute auferlegt sind. Ihre poetische Interpretation verbarg die Schädlichkeit
einer auflösenden Philosophie. Es fehlen ihnen jene Kräfte
der Religion, die zum großen Gesetzgeber und Organisator, zum Leiter und Seelsorger
vieler Menschen gehören; jene überströmenden Liebeskräfte, die zum Mitleid,
zum Opfer, zum Erbarmen führen. -
Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992
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