irchenvater  Mick sah eine Gestalt, eine Erscheinung, weit von ihm entfernt. Die Erscheinung sah aus, als säße sie, und sie verstrahlte ein wenig Licht. Allmählich nahm sie mehr Umriß an, blieb aber unsagbar weit entfernt, und das, was Mick für ein sehr langes Kinn im Profil gehalten hatte, war mit ziemlicher Sicherheit ein Bart. Ein Gewand aus einem dunklen Material kleidete die Erscheinung. Es ist merkwürdig, aber die Offenbarung erschreckte ihn nicht. Doch war er verdutzt, als er De Selbys vertraute Stimme beinahe dröhnend neben sich vernahm.
»Ich danke Ihnen sehr für Ihr Kommen. Ich habe zwei Studenten mitgebracht.«
Die erwidernde Stimme war leise, kam von weit her, klang aber vollkommen klar. Der Dubliner Akzent war unüberhörbar. Die außergewöhnliche Ausdrucksweise kann hier nur typographisch kenntlich gemacht werden.
»Ach was. Gern geschehen.«
»Es geht Ihnen gut, wie üblich, hoffe ich?«
»Gott sei Dank keine Klagen. Und wie geht es Ihnen, beziehungsweise: Wie, glauben Sie, geht es Ihnen?«
»Durchaus erträglich. Aber das Alter beginnt sich bemerkbar zu machen.«
»Ha-ha. Da muß ich aber lachen
»Warum?«
»Ihre Art von Zeit ist lediglich ein verwirrendes Register des Zerfalls. Erinnern Sie sich an das, von dem Sie nicht wußten, daß es Ihre Jugend war?«
»Ja, aber ich wollte über Ihre Jugend sprechen. Das Wesen Ihres Lebens in der Jugend muß, verglichen mit dem Ihres hagiarchischen Greisenalters, ein donnernder Kontrast gewesen sein, der Aufstieg zur Frömmigkeit plötzlich und sogar quälend. War dem so?«
»Sie spielen auf anoxische Anoxämie an? Vielleicht.«
»Sie geben zu, daß Sie ein leichtfertiger und liederlicher junger Mann waren?«
»Für einen Heiden war ich gar nicht mal so schlimm. Außerdem war es vielleicht mein irisches Blut.«
»Ihr irisches Blut?«
»Ja. Mein Vater hieß Patrick. Und er war ein ziemlicher Schluri.«
»Geben Sie zu, daß Ihnen weder Alter noch Farbe von Frauen wichtig war, wenn es sich bei der in Frage stehenden Handlung um den Vollzug der geschlechtlichen Beiwohnung handelte?«
»Ich gebe gar nichts zu. Vergessen Sie bitte nicht, daß ich sehr schlechte Augen hatte.«
»Waren all Ihre Paarungszeremonien heterosexueller Natur?«
»Heteroschnickschnack! Außer meinen eigenen schriftlichen Aussagen liegt nichts gegen mich vor. Viel zu vage. Seien Sie bloß auf der Hut bei dieser Sorte Mumpitz. Schwarz auf Weiß haben Sie nichts in der Hand.«
»Ich habe mich der Forschung und der Praxis geweiht, nicht der Literatur.«
»Sie sind beklagenswert unerfahren. Sie können das Zeitalter, in dem ich gelebt habe, seine Sitten, überhaupt nicht erfassen, geschweige diese afrikanische Sonne beurteilen.«
»Soso, die Hitze. Ich habe viel über die Eskimos gelesen. Diese armen Schweine sind ihr Leben lang dem sicheren Verderben preisgegeben, mit Frostbeulen und Eiszapfen bedeckt, aber wenn sie einen Seehund fangen -: Heißa! Aus dem Fell machen sie warme Kleidung, mit dem Fleisch veranstalten sie Schlemmerfeste, und den Tran bringen sie heim ins Iglu und erleuchten damit Lampen und Herde. Dann fängt der Spaß an. Der nordische Nanuk - immer bereit, einen Kleinen wegzustecken.«
»Ich verdamme die Fleischeslust, gleichgültig, ob sie sich zufällig ergab, oder ob ihr bewußt Vorschub geleistet wurde.«
»Ja, jetzt. Sie später Gnostiker! Die Schamröte muß Ihnen ins Gesicht steigen, wenn Sie sich Ihrer frühen ungezogenen gymnastischen Übungen entsinnen, wenn man bedenkt, daß Sie jetzt Kirchenvater sind.«
»Quatsch. Ich erfand obszöne Großtaten aus Prahlerei, um nicht als unschuldig oder feige zu gelten. Ich bin durch die Straßen von Babylon gewandelt und umgab mich dabei mit rohen Gesellen, die schwitzten von den Feuern der Wollust. Als ich in Karthago war, schleppte ich einen Kessel voll umverwirklichter Ausschweifungen mit mir herum. Gott in seiner Erhabenheit versuchte mich. Aber das Zweite Buch meiner Bekenntnisse besteht ausschließlich aus schockierenden Übertreibungen. Ich war ein Kind meiner rohen Zeit. Und ich behielt den Glauben — im Gegenteil zu vielen meines Volkes in Algerien, die jetzt arabische Einfaltspinsel und Sklaven des Islam sind.«
»Bedenken Sie all die Zeit, die Sie im Schlund Ihrer sexuellen Phantasien vergeudet haben, anstatt sie Studien der Schrift zu widmen. Liederlicher, lustbesessener Libertin!«
»Ich war schwach in jener Zeit, aber Ihre Herablassung finde ich kränkend. Sie sprechen von den Vätern. Und wie steht's mit diesem pränikänischen thooleramawn, Origenes von Alexandria? Was tat er, als er meinte, die Gier nach Frauen lenke ihn von seinem heiligen Schreibwerk ab? Ich werde es Ihnen sagen. Er stand auf, eilte in die Küche hinaus, griff sich ein Brotmesser und — zack — beraubte sich mit einem Ratsch seiner Persönlichkeit. Na?«
 
»Ja. Nennen wir es heroisches Ungestüm.«
»Wie konnte Origenes der Vater von irgendwas sein, wenn er nicht mal Klöten hatte? Beantworten Sie das mal.« - Flann O'Brien, Aus Dalkeys Archiven. Frankfurt am Main 1982 (BS 623, zuerst 1964)

Kirchenvater (2) Die Bibel  fand Augustinus enttäuschend; insbesondere das Alte Testament stieß ihn ab, aber auch das widersprüchliche Geschlechterregister Christi befremdete ihn. - Wikipedia

Kirchenvater (3)

Kirchenvater Origenes läßt sich  kastrieren

- Origenes, nach dem "Märtyrerspiegel"

Kirche Vater

 

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