irchenschmuck  »All dies ist ehrliche Abnützung, natürlicher Verschleiß, eine anhaltende Verwitterung, wie sie die Elemente hervorbringen, Sir - Regen und Wind und Schnee und Frost. Das ist das normale Wirken der Natur, Sir. Aber nun, wenn's Ihnen beliebt, vergleichen Sie das mit dieser Statue des heiligen Markus; und rufen Sie sich ins Gedächtnis, daß die Bildwerke ein Teil des Kirchengebäudes sein sollten; Schildwachen einer Burg sozusagen - Symbole, verstehn Sie.«

Ich beugte mich dicht zu dem riesigen grauen Steingebilde, bis meine Augen kaum mehr als sechs Zoll vom Sockel entfernt waren. Und ich bekenne, daß ich, falls mich nicht der Mondschein getäuscht hatte, nicht die kleinste Spur von Beschädigung oder Abnützung entdecken konnte. Keine Rede davon. Der Stein war auf groteske Art mit dem Relief eines schnappenden Krokodils geschmückt, eines zweiköpfigen Krokodils, und die Ecken und Windungen der Kreatur waren so scharf herausgeschnitten wie mit einem Messer, das Käse bearbeitet. Ich fuhr zurück.

»Und jetzt schauen Sie nach oben, Sir. Würden Sie das eine heiligmäßige Haltung und Gebärde nennen?« 

Was meiner Annahme nach einen Adler darstellen sollte, saß auf dem linken Handgelenk der Statue - doch drohend und geierhaft. Der Kopf der Figur war zu einer Haltung höhnischer Herausforderung entstellt, die Ohren saßen unnatürlich hoch an dem Schädel, und der magere rechte Vorderarm war zusamt dem Zeigefinger zu einer Spottgebärde ausgestreckt. Der steinerne Blick des Bildwerks war auf die Sterne gerichtet, sein gesamter Ausdruck war unleugbar finster und beängstigend. Ein ganz leichter Hauch milchwarmer Luft von der See her strich über meine Wangen. Ich trat zur Seite.

»Sehn Sie, Sir, so geht's noch mit ein paar der übrigen Statuen«, erklärte der Alte, indem er mich beobachtete. »Hier sind andre Kräfte am Werk als die des Allmächtigen.«   - Walter de la Mare, All Hallows. In: W. M., Aus der Tiefe. Frankfurt am Main 1984 (st 982, zuerst 1923)

Kirchenschmuck (2) An der Säulenbasis in der Kathedrale von Burgos reckt eine Nonne ihr Hinterteil in realistischer Wiedergabe vor. Ein Basrelief an der Poironer Kirche stellt die Ureltern beim Beischlaf vor.

Erbsünde

Eine Skulptur am Portal der Kirche in L'Isle d'Adam zeigt den Cunnilingus von Faun und Nymphe. Am Portal der Schottenkirche in Regensburg weist eine Seejungfrau alle Einzelheiten ihrer Vulva. - (erot)

Kirchenschmuck (3) An nicht wenigen kirchlichen Portalen prangen gotische Figuren, doch sind diese zur Zeit derart verrußt und verlottert, daß man sie eigentlich weit mehr für die Abbilder Verworfener halten müßte denn als solche von Auserwählten des Paradieses, denen bestimmt ist, den Glorienschein zu tragen. Es fehlt diesen alten Heiligen hier eine Nase, dort ein Ohr oder gar ein Arm. Die Engel und Cherubim haben ihre Flügel verloren, der Erzengel des Jüngsten Gerichts bläst zwar noch aus vollen Backen, jedoch ohne Trompete. Wahrhaft schrecklich schauen sie also drein, diese vom Zahn der Zeit benagten Antlitze des Himmels. Und man unterstreicht diese Trübsal noch, indem man die verräucherten Statuen mit frischen Blumen schmückt! Der Kontrast beleidigt das Auge. Die Üppigkeit frischer Rosen verleiht den asketischen Heiligen Teufelsfratzen. Als unverzeihlich schlecht entpuppt sich da der Frommen Geschmack; sie verhöhnen die Standbilder, die zu ehren sie trachten...

Was insbesondere die Fassaden von Notre-Dame anbetrifft, sind sie, alles in allem, derart bizarr, daß an ihnen ein jeder genau das an Theologie, Kabbalistik und Alchimie finden kann, was er gerade braucht. Ein Eingeweihter versicherte mir einst, daß in dem grotesken steinernen Pandämonium, das sie bevölkert, der Stein der Weisen verborgen liege. Nur wisse man eben nicht, wo genau in jenem ungeheuern Irrgarten voller Rätsel er sich befinde...    - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris. Frankfurt am Main 1979 (zuerst ca. 1780)

 

Schmuck Kunst am Bau

 

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