Die Heilige der Abgründe ist in meinen Augen von noch größerer Heiligkeit
In einer derart seichten Epoche wie der unsrigen, in der es nur so wimmelt von lächerlichen Peinlichkeiten und schwammigen intellektuellen Spekulationen, hat ein Film wie Hallelujah gute Chancen, Mißfallen zu erregen oder aber wegen eines völlig nebensächlichen Aspekts, seines pittoresken Charakters, zu überzeugen.
In so einer verkommenen Zeit, wo Heilige nach
dem Maß einer Gesellschaft von Industriellen, Geschäftsleuten und Bankiers
geschnitzt werden und die Form »achtbarer« und schäbiger Figürchen im Stil Therèse
de Lisieux' annehmen, ist ein solcher Film von Bedeutung, weil er uns daran
erinnert, was wirkliche Mystik ist; eine, die nichts
mit Religion und dem widerwärtigen Getue weißer christlicher
Kirchen zu tun hat, sondern sich in allem wiederfindet: in der Erotik, im Alkohol,
im Skandal, in jeder Form von Abenteuer - ebensogut
in einem hysterischen Anfall wie in sinnlichem Vergehen und heiliger Ekstase.
- Michel Leiris,
Leidenschaften. Frankfurt am Main 1992 (Fischer-Tb. 10560)
|
||
|
||