indersegen Man veranschlagt die Zahl der Seelen in diesem Königreich in der Regel auf anderthalb Millionen, darunter, schätze ich, werden etwa zweihunderttausend Ehepaare sein, wo die Frauen werdende oder stillende Mütter sind; von ihnen ziehe ich dreißigtausend Paare ab, die imstande sind, ihre Kinder selbst zu unterhalten, wenn ich auch fürchte, unter den gegenwärtigen Nöten des Königreichs werden ihrer noch nicht einmal so viel sein; aber angenommen, das stimme, so bleiben noch hundertundsiebzigtausend Mütter. Ich ziehe nochmals fünfzigtausend ab, und zwar für die Frauen, die eine Fehlgeburt haben, oder deren Kinder innerhalb des ersten Jahres durch Unfall oder Krankheit sterben; dann bleiben nur noch hundertundzwanzigtausend jährlich von armen Eltern geborene Kinder.

Die Frage ist also, wie diese Anzahl aufgezogen und versorgt werden soll; denn wie ich bereits gesagt habe, ist dies nach allen bisher vorgeschlagenen Methoden unter gegenwärtigen Umständen völlig unmöglich; wir können sie weder im Handwerk noch in der Landwirtschaft verwenden; wir bauen weder Häuser (ich meine auf dem Lande) noch bebauen wir Felder. Höchst selten können sie sich vor ihrem sechsten Jahr durch Stehlen ihren Lebensunterhalt sichern, es sei denn, die Veranlagung ist besonders günstig; ich gebe freilich zu, daß sie die Anfangsgründe weit früher lernen, doch können sie während dieser Zeit eigentlich nur erst als Novizen gelten, wie mir ein führender Herr aus der Grafschaft Cavan mitteilt, der mir auch versichert, daß er selbst in einem wegen der größten Geschicklichkeit in dieser Kunst so berühmten Teil des Königreichs nicht mehr als ein oder zwei Beispiele unter dem sechsten Jahr erlebt habe.

Unsre Kaufleute versichern mir, daß ein Knabe oder ein Mädchen unter dem zwölften Jahr keine marktfähige Ware ist; und selbst in diesem Alter werfen sie bei der Veräußerung nicht mehr als drei Pfund oder höchstens drei Pfund und eine halbe Krone ab; das kann sich weder für die Eltern noch für das Königreich lohnen, denn die Kosten der Ernährung und der Kleiderfetzen sind mindestens viermal so hoch gewesen.

Ich werde also jetzt demütigst meine eignen Gedanken darlegen, die, wie ich hoffe, nicht dem geringsten Einwand begegnen können.

Mir ist von einem sehr unterrichteten Amerikaner aus meiner Bekanntschaft in London versichert worden, daß ein junges, gesundes, gutgenährtes, einjähriges Kind eine sehr wohlschmeckende, nahrhafte und bekömmliche Speise ist, einerlei, ob man es dämpft, brät, bäckt oder kocht, und ich zweifle nicht, daß es auch in einem Frikassee oder einem Ragout in gleicher Weise seinen Dienst tun wird.

Ich unterbreite also der öffentlichen Erwägung demütigst den Vorschlag, daß von den hundertundzwanzigtausend bereits berechneten Kindern zwanzigtausend für die Zucht zurückbehalten werden; von ihnen soll nur ein Viertel aus Knaben bestehen, was immerhin schon mehr ist, als wir bei Schafen, Hornvieh oder Schweinen erlauben; mein Grund ist der, daß diese Kinder selten die Frucht der Ehe sind, auf die unsre Wilden nicht viel Gewicht legen; und deshalb wird ein männliches Wesen für vier weibliche gegenügen. Die übrigen hunderttausend mögen, wenn sie ein Jahr alt sind, im ganzen Königreich vornehmen und reichen Leuten zum Kauf angeboten werden; dabei mag man der Mutter raten, die Kinder im letzten Monat reichlich zu säugen, damit sie für eine gute Tafel rund und fett werden. Ein Kind wird bei einem Essen für Freunde zwei Gänge ergeben, und wenn die Familie allein speist, so wird das Vorder- oder Hinterviertel ganz ausreichen; mit ein wenig Pfeffer oder Salz gewürzt, wird es gekocht noch am vierten Tage ganz ausgezeichnet schmecken, besonders im Winter.

Ich habe im Durchschnitt berechnet, daß ein neugebornes Kind zwölf Pfund wiegt; bei erträglicher Ernährung wird es in einem Sonnenjahr auf achtundzwanzig Pfund steigen.

Ich gebe zu, daß diese Speise etwas teuer kommen wird; aber eben deshalb wird sie sich sehr für den Großgrund.. besitzer eignen; da die Gutsherrn bereits die meisten Eltern verschlungen haben, so haben sie offenbar auch den nächsten Anspruch auf die Kinder.

Kinderfleisch wird während des ganzen Jahres auf dem Markt sein, am reichlichsten aber im März oder kurz vorher und nachher, denn ein ernster Autor, ein hervorragender französischer Arzt, versicherte uns, daß in römisch-katholischen Ländern, da Fische eine zeugungskräftige Nahrung sind, neun Monate nach den Fasten mehr Kinder geboren werden als zu irgendeiner andern Jahreszeit; deshalb werden ein Jahr nach den Fasten die Märkte noch mehr überfüllt sein als gewöhnlich, denn die Zahl der papistischen Kinder beträgt in diesem Königreich mindestens das Dreifache der andern. So wird mein Vorschlag noch einen Nebenvorteil mit sich bringen, indem er die Zahl der papistischen Kinder verringert.

Ich habe die Säugekosten eines Bettlerkindes (unter deren Zahl ich alle Katner und Tagelöhner und vier Fünftel der Pächter begreife) einschließlich ihrer Lumpen bereits auf etwa zwei Schilling im Jahr veranschlagt, und ich glaube, es würde keinem Edelmann leid tun, wenn er für den geschlachteten Körper eines guten fetten Kindes zehn Schilling gäbe, denn, wie ich bereits gesagt habe, wird er vier Gänge einer ausgezeichneten nahrhaften Speise ergeben, wenn er nur einen besonderen Freund oder die eigne Familie zu Tisch hat. So wird der Gutsherr lernen, ein guter Landwirt zu werden; er wird beliebt sein unter seinen Pächtern, die Mutter wird acht Schilling Reinverdienst haben und arbeitstüchtig bleiben, bis sie ein neues Kind zur Welt bringt.

Wer wirtschaftlicher ist (und ich muß gestehn, die Zeiten verlangen es), kann den Körper häuten; die Haut wird, kunstvoll gegerbt, wundervolle Damenhandschuhe und Sommerstiefel für elegante Herrn ergeben.

In unsrer Stadt Dublin kann man zu diesem Zweck in den passendsten Gegenden Schlachthäuser einrichten; wir können versichert sein, daß es an Schlächtern nicht fehlen wird. Ich persönlich freilich empfehle eher, die Kinder lebend zu kaufen und gleich nach dem Schlachten herzurichten, wie wir es mit Spanferkeln machen. - Jonathan Swift

Kindersegen (2) Um das Jahr 1850 ließ sich im Elsaß ein Lehrer mit allzu großer Kinderschar dazu herab, Krämer zu werden. Dieser Abtrünnige wollte eine  Kompensierung: da er selbst darauf verzichtete, die Köpfe zu erhellen, sollte einer der Söhne die Seelen lenken; die Familie sollte einen  Pastor erhalten, und zwar Charles. Charles machte Ausflüchte und lief statt dessen einer Zirkusreiterin nach. Man drehte sein Bild gegen die Wand und verbot die Erwähnung seines Namens. Wer kam nun an die Reihe? Auguste beeilte sich, dem väterlichen Opfer nachzueifern: er wurde Geschäftsmann und stand sich gut dabei. Blieb nur noch Louis, der keine ausgeprägten Neigungen besaß: der Vater nahm sich den ruhigen Jungen vor und machte ihn im Handumdrehen zum Pfarrer. Louis trieb später den Gehorsam so weit, daß er seinerseits einen Pastor erzeugte, Albert Schweitzer, dessen Laufbahn bekannt ist. - Jean-Paul Sartre, Die Wörter. Reinbek bei Hamburg 1965 (zuerst 1964)

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